Der Leser mag es nicht glauben, aber die Beatles waren einzelgängerisch, stark
im Verwerfen und Verehren, genüßliche Verächter der Mittelmäßigkeit, des
Establishments, Kämpfer gegen die transzendenzvernichtende Nutzbarmachung von
Musik. Die Themen ihrer Musik waren Essen, Trinken, Schlaf, Traum, Familie,
Freundschaft, Haus, Garten, Krankheit, Tod. Diese nicht auszumerzenden Elemente
des Seins prägten in Permanenz ihre Lieder, die deshalb umfassende
Hintergründe, Geschichten und Bedeutungsebenen enthalten. Es ist deshalb ein
gefährliches Unterfangen, diese Bereich verständlich darzubieten und
wahrheitsgemäß niederzulegen.
Das vorliegnde Buch hat sich diesem wirklichen Problem überzeugend angenommen
und bietet die wirklichen Geheimnisse hinter den Liedern. Das Stahlgewitter an
kreativen Stücken in der Rockmusik, mit welchem sie für zehn Jahre
unübersehbar in Erscheinung traten - ausgehend von Liverpool bis zur Feuertaufe
im Hamburger Rotlichtbezirk und zu der psychedelischen Zeit der späten
Sechsziger - weist ein unübersichtliches Feld an Geschichten auf. Man stellt
sich als Leser die Frage: Wie kamen die Beatles zu ihren Songs und wer
inspirierte sie dazu?
Das vorliegende Buch bietet die einmalige und übersichtlichste Form einer
entsprechenden Darstellung, die es je gegeben hat. Der Brite Steve Turner
beschreibt in A Hard Day's Write die Spuren eines jeden Stückes. Dazu gehören
die Hauptinspiratoren hinter den Songs. Gerade bei John Lennon war es das Ziel
des Lebens, der immanenten Widersprüchlichkeit zwischen Immanenz und
Transzendenz im Sinne einer reifen Konstellation standzuhalten, in der Schmerz
und Freude ihren gleichberechtigten Platz erhalten.
Für Georege Harrison unterliegt die menschliche Existenz den Achsen der
Transzendenz, der Spiritualität des göttlichen Plans und der körperlichen,
naturhaften und existentiellen Materialität. Der Versuch, die Achsen zur
Deckung zu bringen führt zur Zerstörung der immanent-transzendenten Realität
unseres Lebens, zur Aufhebung der sinnvollen Entspannung zwischen den Achsen.
Eine derartige Einheit drückt sein lebensbejahendes Stück "Here comes the
sun" aus, welches dem Eindruck der erstmaligen Frühlingssonne entsprang.
Interessant sind zudem die vielen Damen und Herren, welche die Beatles zu
Liedern inspirierten: Lucy (In The Sky With Diamonds), Bungalow Bill, Lovely
Rita, Polythene Pam oder das Mädchen aus She Came In Through The Bathroom
Window.
A Hard Day's Write dechiffriert die inspirative Basis jedes Titels, jeder
Single, jedes von John, Paul, Ringo und George eingespielten Albums. Auf diese
weise entsteht ein überaus dichtes und klares Kompendium der
Beatles-Kreativität, welches als Nachschlagewerk für den spontanen Einfall
hinsichtlich des einen oder anderen Songs geeignet ist. Paul McCartney sah das
Manuskript durch. Johns enger Freund und Nachlassverwalter Elliot Mintz öffnete
in Absprache mit Yoko Ono seine Archive. Das Ergebnis ist überwältigend: Ein
Song etwa (Do you want to know a secret) wurde auf der Toilette geschrieben, an
dessen Ende man auf der ersten Demoversion die Spülung hört. Ein weiterer Song
(Not a second time) veranlasste die ersten Kritiker, Parallelen zu Gustav
Mahlers "Lied von der Erde" zu ziehen. Das Lied "Rain"
thematisierte Lennons erstmalige philosophische Haltung, ein Bewußtsein
erklimmen zu müssen, mit dem sich Schmerz und Freude gleichermaßen ertragen
ließen. Andere seine Lieder zelebrierten das Bett und den Müßiggang (I’m
only sleeping).
Das Ergebnis ist ein außergewöhnlich illustrierter Band im Großformat, eine
Quelle dafür, den umfassenden und engagierten Inspirationen der Beatles gerecht
zu werden. Durch die Vielzahl von Anekdoten lernt der Leser, was den Beatles
beim Songschreiben immer wieder half: Ein bloßes Sich-Einlassen auf die eigenen
Gefühle, Erlebnisse und spontanen Begebenheiten.
Fazit
Jeder Titel wird auf knapp einer Seite verhandelt. Insbesondere die vormals
niemals veröffentlichten Stücke von Anthology I bis III und die
vernachlässigten Stücke der berühmten Decca-Tapes und der
White-Album-Sessions sind mit enthalten und wecken beim mit vielen
Beatles-Geschichten vertrauten Leser das besondere Interesse.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 14. Februar 2010 2010-02-14 15:30:58