Im April 2010 ist es genau 40 Jahre her, daß sich die Beatles offiziell
trennten. In Wirklichkeit trat zunächst George Harrison kurzzeitig enttäuscht
aus der Band aus, dann wieder ein, und schließlich verließ John Lennon die
Gruppe ganz, mußte es aber geheim halten, um nicht den Verkauf des soeben
veröffentlichten Albums "Abbey Road" zu gefährden. Diese Dinge und
deren Vorspiel passierten wesentlich während einer Zeit, als die Band an dem
Album "Let it be" arbeitete. Immer wieder gibt es neue
Veröffentlichungen in Bild, Ton und Text dazu. Das Buch "Von Get Back zu
Let It Be" jedoch macht sich diese Zeit, den Anfang vom Ende, erstmals
detailliert und faktenreich zum Thema.
Für die Arbeit am Album "Let It Be" hatten sich die Beatles in einem
Filmstudio einquartiert, um vor laufenden Kameras das Werden der Songs
dokumentieren zu lassen. Der Autor läßt diese Zeit sehr intensiv Revue
passieren, dokumentiert schriftlich was gesagt, diskutiert und schließlich bis
1970 hinein an Plänen für Auftritte und Alben umgesetzt wurde. Diese Sessions
bildeten sich im Ergebnis später wesentlich im Album "Let it be" und
im Album "Abbey Road" ab. Sogar später (1971-1973) erschienen
Solotitel der vier Bandmitglieder, die schon bei dieser Beatles-Session in den
späten 60’ern zu hören gewesen sind: Lennons "Gimme some truth"
(Album "Imagine"), Harrisons "All things must pass" (Album
"All things mus pass") oder Mc Cartneys "Teddy boy" (Album
"Mc Cartney").
Der deutsche Publizist und Literaturkritiker Friedhelm Rathjen hat hierzu
akribisch alle auch inoffiziellen Mitschnitte der Proben und Gespräche
gesichtet und aufgeschrieben. Dem Leser werden schnell die Konfliktlinien
zwischen Lennon und Harrison klar, der die Stimmung derart erhitzte, daß George
zeitweilig die Band verließ, nach Liverpool fuhr, und offen über Jimi Hendrix
oder Eric Clapton als Ersatz gesprochen wurde. Am Ende stand die Idee, ein
Konzert an ungewöhnlicher Stelle durchzuführen. In Permanenz sprachen die
Beatles darüber, wo dies sein könnte. Der Autor dokumentiert diese
Diskussionen und andere interessante Details der Auseinandersetzungen - von
früh bis Abends, so etwa auch einmal völlig andere Gespräche neben den
Sessions: George - "Weißt du, als sie die ganzen Bomben über Deutschland
abwarfen, haben sie mehr Menschen getötet als..." Ringo - "Und alles
Zivilisten, die nichts damit zu tun hatten." Beide haben sich hier wohl an
die frühen Bilder der Stadt Hamburg erinnert.
Auf mehr als 300 Seiten läßt der Autor den Leser teilhaben am Entstehen
solcher Songs wie "Don’t Let Me Down", "One After 909"
oder "Two Of Us". Man wird Zeuge der Diskussionen, welche Tonart für
welchen Song zu verwenden sei und daß Harrison zum Befehlsempfänger von John
und Paul degradiert wird: "Ich spiele, was immer du willst", sagt
George, "und wenn du willst, daß ich gar nicht spiele, mache ich auch
das." Rathjen besticht durch eine lässige Schreibweise, wenn er notiert,
Ringo schlich sich in den einen Song hinein oder an anderer Stelle hätten die
Beatles hier und dort vor lauter Langeweile eine erbärmliche Version dieses
oder jenes Songs heruntergerissen.
Was als Neubeginn der Band gedacht war, entwickelte sich zunächst so desolat,
daß es stattdessen zum Anfang vom Ende der Beatles wurde. Tagebuchmäßig wird
alles protokolliert, was vorgefallen ist. Der Autor liefert nach jedem Tag eine
Resümee ab: War der Tag erfolgreich oder nicht? Welche Stücke konnten
erfolgreich abgeschlossen werden? War dieser oder jener Tag doch wieder nur von
persönlichen Depressionen oder Beleidigungen begleitet gewesen? War hier oder
dort die Präsenz von Billy Preston am Klavier der Produktivität der
Gesamtgruppe dann doch wieder förderlich?
Fazit
Das Buch dokumentiert aber nicht nur die Entstehung der letzten beiden
Beatles-Platten, sondern enthält auch Dokumentationen über Material, das in
die Solozeiten der vier nachstrahlen wird. Nach vollendeter Lektüre hört man
die Alben "Let it be" und "Abbey Road" mit anderen Ohren -
und erst recht das "Roof-Top-Konzert"! Denn nun weiß man, was genau
wenige Tage und Stunden zuvor passiert ist.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 06. Februar 2010 2010-02-06 17:35:17