Helmut Schmidts Publikationen sind meiner Meinung nach alle hervorragend. Wer
einen Einblick in die weltpolitischen Probleme und Konstellationen des 21.
Jahrhunderts bekommen möchte, kommt an diesem Buch, für mich das wichtigste
politische Buch dieses Jahres, nicht vorbei. Helmut Schmidt analysiert nicht nur
die weltpolitischen Probleme der Gegenwart und der Zukunft (neue Formen der
Kriege, wie sie der 11. September gezeigt hat - im Vorwort dieser
Taschenbuchausgabe geht er auch darauf ein), die Probleme der Globalisierung,
den sogenannten "Raubtierkapitalismus" (einen Begriff, den auch der
"Spiegel" in einer seiner jüngsten Ausgaben verwendete) und die
amerikanische Dominanz mit ihrem - gerade unter dem gegenwärtigen
US-Präsidenten Bush sichtbar werdenden - Hang zum Unilateralismus (hierzu vgl.
auch den kürzlichen Beitrag Schmidts in der Wochenzeitung "Die Zeit".
Als Weltmächte der Zukunft betrachtet Schmidt neben den USA vor allem China, -
nach wie vor Rußland, Indien und - möglicherweise - Brasilien (trotz seiner
gegenwärtigen Wirtschaftskrise). Um sich unter diesen Mächten zu behaupten und
um ihr wirtschaftliches Wohlergehen zu sichern, plädiert Schmidt für die
europäische Integration mit einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und
Wirtschaftspolitik. Dieses legt er am Ende des Buches in 20 Thesen eindrucksvoll
dar. Er "bleibt ein engagierter Anhänger der europäischen Integration aus
strategischem, patriotischen Interesse." Die globalen technischen und
wirtschaftlichen Entwicklungen zwängen die Europäer zu höhereer Leistung und
zu neuen Anstrengungen, um nicht ins Mittelmaß abzusinken. "Gegen
künftige globale Gefahren und Bedrohungen kann keiner der europäischen Staaten
sich allein behaupten. Aus dieser Einsicht folgt das strategische Prinzip der
Selbstbehauptung durch Gemeinsamkeit. Dieses Prinzip muß das Handeln der
politischen Führer der europäischen Staaten sehr bewußt bestimmen."
Dieses ist das Anliegen Schmidts in all seinen Büchern und schriftlichen
Publikationen, die hier sehr komprimiert und fundiert zusammengefasst werden.
Abseits jeder Tagespolitik ist dieses Buch ein unverzichtbarer Ratgeber für
alle Politiker aber auch die interessierten Bürger: "Nicht nur die
Regierenden müssen sich heute die bereits erkennbaren Gefährdungen des 21.
Jahrhunderts vor Augen halten, sondern wir alle, wir Wähler unserer
Regierungen, müssen uns genauso fragen: "Womit müssen wir rechnen? Was
sollen wir tun?"
Schmidt bemüht sich um Antworten auf diese lebenswichtigen Probleme im 21.
Jahrhundert. Gut ist, dass Schmidt auch Umweltprobleme (Treibhauseffekt), die
Gefahr des Nationalismus aber auch des Zentralismus nicht verschweigt, sondern
ausführlich behandelt.
Fazit
Wer eine solide Einführung in die wichtigsten Herausforderungen der
gegenwärtigen und zukünftigen Politik sucht, kommt um dieses Buch - meines
Erachtens neben dem Buch von Joseph S. Nye: "The Paradox of American
Power" das wichtigste politische Werk dieses Jahres - nicht herum. Fazit:
unbedingt lesen!
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 26. Juni 2003 2003-06-26 23:10:44