Guido Knopps Buch über die Phase der "Machteroberung", also der Zeit
zwischen dem turbulenten Januar 1933, vom sogenannten "Kölner
Gespräch" zwischen Hitler und Papen, den darauf folgenden Intrigen bis zur
Ernennung Hitlers durch Reichspräsident von Hindenburg und die folgenden
Ereignisse bis zum Abschluss der "Machteroberung", als nach dem Tode
Hindenburgs Hitler in Personalunion Staatschef, Regierungschef und
Oberbefehlshaber der Wehrmacht wurde und seinem absolutem Machtanspruch niemand
mehr im Wege stand, ist ein informatives Buch über diese Zeit. Nun ist das
Thema nicht neu und in vielen Publikationen behandelt worden, wenn man etwa an
die Standardwerke von Broszat: "Die Machtergreifung" (1984) denkt.
Aber das Buch besticht durch leichte Lesbarkeit und Berücksichtigung neuerer
Forschungsergebnisse. So wird die wichtige Rolle des Reichspräsidenten von
Hindenburg in dieser Phase in Anlehnung an die Thesen der Biographie von Wolfram
Pyta treffend dargestellt. Hindenburg war nicht die "passive" Figur,
die Hitler widerwillig ernannte und von seinen Beratern "gesteuert"
wurde, wie es die historische Forschung lange annahm, sondern in Hitler sah
Hindenburg den Mann, der Deutschland zu einer "Volksgemeinschaft"
führen und zum machtpolitischen Wiederaufstieg führen werde.
Die weiteren Stationen der Machteroberung, vom Reichstagsbrand (Knopp teilt hier
die These, dass Marius van der Lubbe alleiniger Täter war, seine Tat den Nazis
aber sehr willkommen war) über das Verbot der weiteren Parteien, der Errichtung
des Einheitsstaates im Juli 1933 bis zum sogenannten "Röhm-Putsch"
wird treffend dargestellt.
Es wird deutlich, dass Hitler bis zu Hindenburgs Tod eben nicht Alleinherrscher
war, insofern ist der Begriff "Diktator" vor dem August 1934, als
Hindenburg starb, m.E. irreführend. Gerade beim sogenannten
"Röhm-Putsch" wird deutlich, dass Hitler zumindest fürchtete, ohne
Beseitigung der SA und Befriedigung der Ansprüche der Wehrmacht, alleinige
bewaffnete Macht im Staate zu sein, durch Verhängung des Ausnahmezustande durch
Hindenburg seiner Macht enthoben zu werden. Doch es gelang ihm, bei seinem
Besuch in Neudeck (ein aktuelles Bild zeigt ihn bei der Ankunft, wie er von
Hindenburgs Sohn militärisch begrüßt wird) am 21. Juni 1934 - offiziell
wollte er dem Reichspräsidenten über seinen Besuch in Venedig unterrichten -
Klarheit über den Grad der Unzufriedenheit von Reichswehr und Reichspräsident
über Röhm und die SA zu erhalten. Als Hitler dann in Essen erfuhr, dass
Vizekanzler von Papen, der sich in seiner Rede in Marburg am 17. Juni 1934 offen
gegen Hitler stellte, um diesen als Nachfolger des bereits todkranken Hindenburg
zu verhindern, sich für den 30. Juni 1934 bei Hindenburg angemeldet hatte, um
Hindenburgs Rückendeckung für diesen Plan zu erhalten, schlug er zu. Er ging
gegen Röhm wie auch gegen die "konservative Opposition" vor und ließ
Papen kurzerhand verhaften. Er kam erst nach einigen Tagen wieder frei. Mit dem
"Röhm-Putsch" und der "Beseitigung des SA-Problems" war die
Reichswehr zufrieden: sie fühlte sich als "Sieger" der
Auseinandersetzung, zumal ihr Hitler ihre Rolle als einzige Trägerin der
"bewaffneten Macht" bestätigte. Und Reichswehrminister Blomberg
revanchierte sich, indem er unmittelbar vor Hindenburgs Tod vorschlug, die
Wehrmacht auf Hitler zu vereidigen und der Nachfolgeregelung seinen Segen gab.
So war der Alleinherrschaft Hitlers nach dem 30. Juni 1934 nichts mehr im Weg.
Er mußte nur noch den Tod Hindenburgs abwarten, der am 2. August 1934 erfolgte.
Hitler wurde ohne Probleme dessen Nachfolger, vereinigte alle Macht in seiner
Hand. Dies ließ er sich in einer Volksabstimmung Ende August 1934 bestätigen
und stellte zutreffend auf dem Parteitag der NSDAP in Nürnberg fest, dass nun
alle Macht in den Händen der Nazis vereinigt und die "Machteroberung"
damit abgeschlossen sei.
Konsequent endet das Buch dann an der Stelle. Packend beschreibt Knopp auch das
Schicksal von Widerständlern, die ermordet und in KZs eingewiesen worden waren
und entlarvt zum Teil apologetische Versionen, etwa des ersten Polizeichefs
Rudolf Diels, über "humanere" Methoden der SS gegenüber der SA in
Bezug auf die Konzentrationslager.
Insofern ein informatives Buch, wenn man akzeptiert, dass die Zielgruppe von
Knopp Laien und nicht Forscher sind. Knopp wertet keine neuen Quellen aus und
forscht nicht. Er bilanziert sehr lesenswert und engagiert die bisherige
Forschung.
Als einzigen Nachteil dieses Buches sehe ich - und ziehe daher einen Punkt ab -
dass zu Beginn ein Kapitel fehlt, "wie es dazu kam", also eine
Kurzanalyse über das Scheitern von Weimar und die Gründe des Aufstiegs von
Hitler. Dies haben vergleichbare Publikationen, etwa Janßens Darstellung über
den 30. Januar 1933, geliefert.
Fazit
Aber ansonsten: eine sehr lesenswerte und beeindruckende Darstellung auf
Grundlage des neuesten historischen Forschungsstandes.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 29. September 2009 2009-09-29 14:31:36