"Alles, was wir tun, hat Einfluss auf das Leben eines anderen."
Selbsttötung ist ein überaus heikles Thema und eines, das die Hinterbliebenen
vor zahlreiche Fragen stellt - nicht zuletzt vor die, weshalb dieser Mensch sich
umgebracht hat. Ebenso wie bei Amoktätern hört und liest man bezogen auf
Selbstmörder oft, dass es keinerlei Anzeichen gegeben habe, die auf eine solche
Tat hingewiesen hätten.
Auch Hannah Baker, die Protagonistin in Jay Ashers Roman, wirkte eher
unauffällig und schien keine anderen Probleme zu haben als ihre Mitschüler.
An diesem Punkt setzt der Autor mit einer guten Idee an: Vierzehn Tage nach
Hannahs Tod erhält Clay Jensen, ein Junge, der heimlich für sie geschwärmt
hat, einen Karton, in dem sich dreizehn Kassetten befinden. Als Clay endlich
einen alten Kassettenrekorder gefunden hat und auf "play" drückt,
hört er Folgendes:
"Ich hoffe, ihr seid bereit, denn ich will euch die Geschichte meines
Lebens erzählen, genauer gesagt, warum mein Leben ein Ende fand. Und wenn ihr
diese Kassetten hört, dann seid ihr einer der Gründe dafür. Ich werde nicht
verraten, welche Kassette wen von euch ins Spiel bringt. Aber keine Sorge, wer
die hübsche kleine Schachtel bekommen hat, dessen Name wird irgendwann
auftauchen - versprochen! Tote Mädchen lügen nicht."
Clay ist schockiert. Mit dem Recorder in der Hand zieht er durch die Nacht. Auf
sieben Kassetten nennt Hannah dreizehn Gründe, die sie zum Selbstmord
veranlasst haben. Dreizehn Gründe, die von dreizehn Personen ausgehen und
dreizehn Geheimnisse offenbaren.
Ebenso wie der junge Mann folgt der Leser Hannahs Geschichten, die miteinander
verknüpft sind - und vielleicht nimmt er staunend wahr, dass es die kleinen
Dinge waren, die sie so gequält haben: Gerüchte, Hänseleien, Gemeinheiten,
gedankenlos verübte Handlungen und Sätze, die vielleicht gar nicht so gemeint
waren. Alltägliche Begebenheiten sozusagen, die im Leben eines jeden mehr oder
minder häufig vorkommen.
Aber wer vermag schon zu entscheiden, wo der Leidensdruck für einen Menschen zu
groß wird? Das gilt erst recht für Teenager, die sensibler sind und überdies
noch keine "Folie" haben, die sich durch eine gewisse Lebenserfahrung
zwangsläufig entwickelt.
Hannah Baker hat vor ihrem Tod einige wenige Zeichen gesetzt: Sie hat sich die
Haare abgeschnitten, sie wurde zunehmend schweigsamer - und sie hat sich mehr
und mehr von ihren Mitschülern distanziert. Diese Zeichen hat niemand zu deuten
gewusst bzw. niemand deuten wollen. Eine der Fragen, die sich nicht nur die
dreizehn Hörer der Kassetten, sondern auch der Leser stellen soll, besteht
darin, ob Hannah zu helfen gewesen wäre, wenn man aufmerksamer gewesen wäre,
nachgefragt, sich um sie gekümmert hätte...
Fazit
"Thirteen reasons why", so der gelungenere - aber für den deutschen
Markt augenscheinlich weniger schlagkräftige - Originaltitel spielt nicht in
der Hogwarths-, Biss- oder Tintenwelt und erlaubt keine Flucht aus der
Realität. Der Roman regt vor allem Jugendliche zum Nachdenken an und fordert
die Frage heraus, ob man sich an Hannahs Stelle auch umgebracht hätte. Im
besten Falle wird diese Frage verneint und über Auswege diskutiert.
Auch wenn dieser Roman manchmal ein wenig unglaubwürdig und an einigen Stellen
hölzern formuliert ist, ist er durchaus lesenswert und eignet sich nicht
zuletzt bestens als Schullektüre.
Vorgeschlagen von Heide John
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veröffentlicht am 23. September 2009 2009-09-23 12:41:21