Deutschland hat keine unitarische Tradition. Neben dem subsidiären Aspekt der
Gesetzgebung in einem bundesstaatlichen System kommt für die Bundesrepublik der
dezentrale Aufbau vor allem zum Tragen. Die horizontale Gewaltenteilung berührt
das Verhältnis der obersten Staatsorgane zueinander (Exekutive, Legislative,
Judikative), also die klassische Dimension der Separierung von Gewalt. Die
vertikale Gewaltenteilung berührt das Verhältnis Bürger - Staat, sowie das
von Zentralstaat zu Gliedstaaten.
Die zentrale Stellung der Grundrechte, der Vorrang der Verfassung, das Prinzip
der Gewaltentrennung, die Bindung aller staatlichen Gewalt an die Verfassung,
der Grundsatz der Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit der Justiz berühren
das Rechtstaatsprinzip in Deutschland. Einmal gesetztes Recht gilt
(Rückwirkungsverbot). Es kann nur auf dem verfassungsmäßig vorgegebenen Weg
verändert werden. Ein verfassungspolitisches Unikum ist in Deutschland die
Ewigkeitsgarantie: "Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die
Gliederung des Bundes in Länder, die grundlegende Mitwirkung der Länder bei
der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze
berührt werden, ist unzulässig (Art. 79 Abs. 3 GG). Dies sind nur einige
zentrale Besonderheiten der deutschen Staatsorganisation, deren Komplexität
sicherlich ein übersichtliches Werk erfordert!
Das vorliegende Anfang 2008 in 8. Auflage erschienene Werk behandelt nunmehr vor
diesem Hintergrund alle Details des Staatsorganisationsrechts, die sich aus den
grundgesetzlichen Besonderheiten Deutschlands ergeben. Man mag meinen, dies wird
sehr kompliziert geschrieben sein, ist es aber nicht, so daß das Werk
Einsteiger und Fortgeschrittene gleichermaßen begeistern kann, was nicht
zuletzt der klaren Sprache des Autors zu verdanken ist. Mit Beispielfällen und
Lösungsvorschlägen und hervorgehobene Lerndefinitionen sowie überdies die
Berücksichtigung europarechtlicher Kontexte sichert das Buch einen klaren Lern-
oder Informationserfolg, dessen Detailfreudigkeit besonders hervortritt.
Was man stellenweise vermißt, ist der kritische Blick. Parteien sind heute zu
Monopolisten der Politik geworden, die sich von der Gesellschaft abgekoppelt
haben. Zudem sind die Institutionen des intermediären Sektors kritisch zu
bewerten. Sie streben anders als Parteien keine politische unmittelbare
Übernahme von Beteiligung an der Macht an, sondern üben diese über ihre
Mobilisierungsfähigkeit und Organisationskompetenz aus (z.B. Gewerkschaften).
Sie sind weitgehend dem staatlichen Einfluß entzogen und öffnen ihn dezidiert
dem Verbandseinfluß. Die politikwissenschaftliche Bedeutung von Verbänden
liegt in der vermittelnden Funktion zwischen Bürgern und Staat. Sie sind
dahingehend "intermediäre Instanzen" und sorgen für die Durchsetzung
der Ambitionen von Millionen von Individuen in den politischen Bereich hinein.
Der Prozess der Aushandlung ist damit geprägt durch eine hohe Komplexität der
organisierten Interessen, die als solche wiederum mehr oder weniger stark
organisiert sind und einen unterschiedlichen Grad der Mobilisierung im
Konfliktfall besitzen. Die aus dem Sinken des gewerkschaftlichen
Organisationsgrades resultierende "Defensivsituation" führt zu der
Chance, über korporatistische Kompromissangebote in eine Verhandlung mit dem
Staat zu treten und die Interessenvertretung z.B. der Gewerkschaften über
diesen Weg gezielt auszuüben. Die Gefahr einer Entmachtung des Parlamentes ist
damit latent. Wenn die gesellschaftlich relevanten Entscheidungen in den
Sozialpakt-Runden getroffen werden, bleibt zwar die legislative Funktion des
Parlamentes formal unberührt. Gleichwohl werden die Entscheidungen der nach der
deutschen Verfassung gesetzgebenden Körperschaft in einer Weise vorgeprägt,
die aus der Perspektive der Gewaltenteilung nicht unproblematisch ist.
Schätzenswert ist dem ungeachtet, daß Schmidt beim Grundgesetz einsetzt und
anschließend Grundbegriffe des Staatsrechts klärt, damit man den folgenden
Seiten inhaltlich gewachsen ist. Im dritten Kapitel erörtert der Autor
Staatsformmerkmale und Staatszielbestimmungen. Fragen nach Republik,
Bundesstaat, parlamentarischer Demokratie oder Rechtsstaat und Gewaltenteilung
werden hier umfassend beantwortet.
Fazit
Dieses Buch ist - wie die meisten des Verlags Rolf Schmidt - überaus fruchtbar
und rechtfertigt damit seinen Preis.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 19. September 2009 2009-09-19 11:54:31