Mit Aggression werden 1968 die Schlachten nachgespielt, welche die Väter ihrer
Vertreter in Musik und Politik einst selbst im Krieg und schließlich zu Hause
mit ihren Kindern führten. Mehrfach gebrochene Konflikte sorgen für eine
mehrfach gebrochene Generation - mit viel Hand zur Extravaganz, zu
künstlerischem Reichtum und zugleich mit einer sehr leicht zerbrechlichen
mentalen Disposition. Sie geht einher mit einer großen Liebe zu den eigenen
Eltern, aber auch mit der Möglichkeit einer Verabscheuung und Entfernung von
der Elterngeneration. So konnte John Lennon in seinem Lied "Julia"
1968 seine Mutter sehnsüchtig verehren und sie in seinem "Ocean
Child" Yoko Ono wieder finden, um seiner Mutter Julia wiederum 1970 in
seinem Titel "Mother" umso mehr vorzuwerfen, daß sie ihn verlassen
habe und sie doch heimkommen möge.
Dennoch, die aufstrebende Jugend will die Last der Tradition nicht mehr tragen;
alles wird geleugnet um nicht mit der Vergangenheit der Eltern konfrontiert zu
werden. Das ist der Weg der eigenen Kompensation. 40 Jahre nach dem Welthit
"Revolution", der das alles widerspiegelt, liefert der britische Autor
Philip Norman die definitive Biographie der größten Legende der Popmusik ab:
John Lennon. Dieses Buch kommt als atemberaubend facettenreiches Porträt des
Gründers der Beatles daher - sachlich, leicht zu lesen und nicht von
Ressentiments getragen.
Der Autor charakterisiert John Lennen in all seinen Facetten überaus spannend
und das über alle 40 Jahre seines Lebens. Zum Vorschein kommen: Lennon als der
charismatische Kopf der Beatles, seine musikalischen Inspirationen, seine
skurrilen Texte, seine provokatorische Ader. Mit ihr versuchte er sich frei zu
sprechen von jenem bürgerlichen Leben, das ihm nicht das bieten konnte, wofür
das bürgerliche Leben stand und prahlte. Daher der Abstand von der
schuldbeladenen Erwachsenenwelt. Lennon war also der Provokateur. Sollten sich
die Beatles als Band vor dem Publikum verbeugen und ihre Hände auf dem Rücken
halten, war es Lennon, der dies nicht tun konnte, ohne zugleich das
Viktory-Zeichen sichtbar zu formen und dazu ein spastisches Gesicht aufzusetzen.
Es war für ihn befreiend, das der Norm Entgegengesetzte zu tun. So etwa auch,
als Lennon in seinem unverbesserlichen Hang zum Unfug eines morgens in Hamburg,
nach einem Auftritt, den Rest der Beatles überredete, ein lebendes Ferkel zu
erstehen. Passanten, die das Treiben um das Tier bemerkten, meldeten es sofort
der Hamburger Polizei, die die Beatles zeitweilig in eine Zelle verfrachtete.
Dem ungeachtet war Lennon aber auch ein menschenscheuer Träumer, der der Welt
Liebe versprach und diese einforderte und politisches Engagement walten ließ.
Auch hockte er als Kind stundenlang in seinem Zimmer, zusammengekauert, die
Füße an die Wand gestützt und las ununterbrochen. Später hortete er an
seinem Bett immer wieder neue Bücher, die niemand berühren durfte. Er war also
auf der anderen Seite stets der gebrechliche Mensch mit geringem
Selbstbewußtsein und einer brennenden Liebe zu seiner Mutter. Nach ihr sehnte
er sich als sie lebte und noch als sie überfahren wurde und starb. Er, der sich
sehnende und oft verunsicherte, fragte sich noch in den 70er Jahren, ob er wohl
als Solokarrierist jemals wieder selbst ein erfolgreiches Album wie Paul Mc
Cartneys "Band on the run" veröffentlichen werde.
Daß John Lennon nicht frei von sexuellen Wirrungen war, ist bekannt,
insbesondere sein spezielles, aber nicht direkt definierbares zum Manager Brian
Epstein. Daß er aber ödipale Gedanken hegte und obendrein auch an seinem
Beatle-Kollegen Paul McCartney Gefallen gefunden haben soll, das erzählt der
Autor erstmals. Diese und mehr pikante Details bekommt der Leser geliefert, der
sich die neue 1000 Seiten schwere Biografie über den ermordeten Musiker
vorgenommen hat. Die Seiten verfliegen beim lesen trotz ihrer Fülle, ohne daß
der Leser denkt, das Buch nehme kein Ende.
Fazit
Dem Autoren Philip Norman gelingt es somit, eine großartige Lebensschau zu
bieten, die meisterlich spannende Details erwähnt, welche zwar für Fans nichts
Neues sind, aber sich immer wieder gut lesen: So wird die Tatsache, daß Lennon
in frühen Jahren Mitglied eines Onanistenclubs um das Portrait von Brigitte
Bardot war, genauso beleuchtet, wie ein Sexakt auf einem Grabstein, bei dem sein
"Hintern voller Blattläuse" war. Ein Buch mit vielen Anstößen!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 19. September 2009 2009-09-19 11:10:51