Als Dunhuang aus dem Gefängnis entlassen wurde, lag Peking unter einem dichten
Sandschleier, den die Stürme aus der Mongolei in die Stadt getragen hatten.
Der junge Chinese hatte keine Wohnung und keine Arbeit. Alle Kumpels, mit denen
er vor seiner Verhaftung gemeinsam gefälschte Dokumente verkauft hatte, saßen
noch im Knast. Auf der Suche nach Bekannten, die ihm Arbeit vermitteln könnten,
durchquert er Peking mit dem Bus und zu Fuß. Dunhuang macht keinen Versuch,
eine legale Arbeit zu finden - er wird wissen warum. Schließlich kann er bei
Xia Xiaorong unterschlüpfen, die mit raubkopierten DVDs handelt. Zunächst
arbeitet er für Xiaorong und macht sich bald darauf selbstständig. Die
Karriere eines fliegenden Händlers auf Pekings Straßen kann von einer Minute
zur anderen vorbei sein. Offiziell ist der Handel mit Raubkopien verboten, im
Prinzip sind die Vorschriften zwar durch einen Geldschein verhandelbar, aber der
Fahndungsdruck auf die Leute mit den Einkaufstaschen und Rucksäcken ist groß.
Der clevere junge Mann knüpft ein Netz aus Stammkunden, deren individuelle
Bestellungen er mit kaufmännischem Geschick, stets im Laufschritt, erledigt.
Seine Kunden sind zufrieden mit ihm und Dunhuang ist daran gelegen, dass das so
bleibt. An diesem Punkt fragt man sich, warum jemand wie Dunhuang als halb
legaler Straßenhändler von einem Tag auf den anderen existieren muss, ob es
für ihn keine legale, regelmäßige Arbeit gibt. Als Xiaorongs Ex-Mann
unerwartet wieder auftaucht, muss Dunhuang wieder auf die Suche nach einer
Unterkunft gehen. Obwohl der Mann mit dem beachtlichen Organisationstalent
selbst Opfer von Dieben und Fälschern wird, möchte er gern Geld sparen für
seinen Kumpel Baoding, der zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden ist.
Fazit
"Im Laufschritt durch Peking" erzählt in nüchternem Ton von den
Hoffnungen und Enttäuschungen eines jungen Chinesen, der sich als
Straßenhändler durchschlägt. Der 1978 geborene Xu Zechen vermittelt
europäischen Lesern mit seinem temporeichen Roman einen realistischen Einblick
in das Leben der kleinen Leute; er zeigt genau das, was Leser chinesischer
Romane, deren Aussagen auf uns oft stark verschlüsselt wirken, bisher
vermissten.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 05. September 2009 2009-09-05 11:23:36