Unter Xi Jinping wandelte sich in China Vieles. Er führt die Wirtschaftspolitik
seiner Vorgänger fort, setzte sich konsequent zum Ziel, China in allen Belangen
als Weltmacht Nummer Eins zu etablieren. Dabei schreckt er anscheinend vor
nichts zurück. Grundlage seiner autokratischen Regierung ist die
innenpolitische Zementierung seiner Macht. Seit Mao Zedong gab es keinen
Herrscher in China, dessen Machtanspruch und Machtfülle derart umfassend waren.
Er nutzt sämtliche Kanäle seiner (All-)Macht und schreckt auch vor Konflikten
nach Außen keineswegs zurück. Die Neue Seidenstraße ist ein weiterer Versuch,
Chinas Einflusssphären auszudehnen.
Philipp Mattheis, der Autor des vorliegenden Buches, kennt die Materie aus
seiner Tätigkeit als Journalist und lebte mehrere Jahre in Shanghai. Seine
Betrachtungen lenken den Blick auf die Ziele der chinesischen
Wirtschaftspolitik. Die Neue Seidenstraße wird im Vergleich zwischen den nach
Außen propagierten wirtschaftlichen Zielen und deren tatsächlicher politischer
Umsetzung kritisch beleuchtet. Rasch wird deutlich: es geht nicht
ausschließlich um Handel, sondern auch darum, Machtsphären auszubauen, zu
etablieren und zu nutzen. Insbesondere kleinere, wirtschaftlich schwächere
Staaten unterliegen den Verlockungen unkonventioneller finanzieller Hilfen.
Häufig jedoch erweist sich genau das als gravierende Fehlkalkulation. Geraten
Länder in Zahlungsschwierigkeiten, macht China erbarmungslosen Gebrauch von den
Absicherungsmechanismen, die einen weiteren wirtschaftlichen und politischen
Effekt zu Chinas Gunsten erbringen. Die Neue Seidenstraße führt jedoch auch in
wirtschaftlich starke Regionen und Länder, so zum Beispiel auch nach
Deutschland. Auch diese Handelsbeziehungen werden multiperspektivisch betrachtet
und hinterfragt.
Fazit
Es ist ein fundiertes und auf Fakten beruhendes Buch, das einen guten Einblick
in das Wechselspiel von wirtschaftlichen Zielsetzungen und deren politischer
Umsetzung gewährt. Der Unterschied zu vergleichbaren Werken ist aus meiner
Sicht, dass der Autor sich dem Thema inhaltlich umfassend widmet, jedoch
verhältnismäßig unvoreingenommen. Auch er beschreibt anhand von Fakten die
fatalen Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer, die gelegentlich recht
vorschnell dem finanziellen Werben unterliegen und "nur" die Vorteile
für die eigene Volkswirtschaft betrachteten, sich am Ende aber den restriktiven
Vertragsklauseln unterwerfen müssen. Selbst in Deutschland greift China nach
einem höheren Maß an Einfluss. Das Pro und Contra kommt in der vorliegenden
Betrachtung ebenfalls nicht zu kurz.
Es ist genau diese, auf bekannten Fakten beruhende Darstellung und die
inhaltliche Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen und politischen Folgen,
die mich überzeugt haben. Es wird nicht vorschnell einseitig (i.d.F. negativ)
ge- und verurteilt, sondern es verbleibt Raum für eigene Positionierung. So
stelle ich mir ein gutes Sachbuch vor!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 02. Oktober 2023 2023-10-02 20:55:20