Für dieses Epos, so kann man ihn ruhig nennen, erhielt du Gard den
Nobelpreis.
In der mir hier vorliegenden Version fehlen die letzten 2 Kapitel (Sommer 1914
und Epilog), die erst später erschienen sind. Wieso der dtv-Verlag diese
letzten Kapitel ebenfalls herausgebracht hat, ob zusammen mit dem Rest oder
separat, da sie allein schon über 1000 Seiten Umfang haben, ist mir ein
Rätsel.
"Die Thibaults" besteht aus 6 Kapiteln. Es ist die Geschichte von
einem erfolgreichen mächtigen Vater und seinen zwei grundverschiedenen Söhnen.
Es ist auch die Darstellung des Zusammenpralls der Religion mit der Wissenschaft
und des veralteten Denkens mit der Neuzeit.
Oscar Thibaults ist erfolgreich und erzkatholisch, seine Söhne wurden auch so
erzogen, er verfechtet alte Grundsätze, hasst die Protestanten und ist sonst
überhaupt gegen jegliches freie Denken.
Antoine Thibault ist Wissenschaftler und erfolgreicher Jungmediziner, trotz
seiner klar gegensätzlichen Einstellung zum Leben, Religion und Wissenschaft,
eckt er weniger mit seinem Vater an, als sein um fast 10 Jahre jüngerer Bruder
Jacques.
Jacques ist emotional, ungezügelt, ziellos. Er will sich dem Leben, das sein
Vater für ihn vorgesehen hat, nicht fügen, auch ein Jahr in einer Anstalt kann
ihn nicht bändigen. Er ist Poet und Romantiker, in einem ständigen Kampf mit
sich und seiner unsteten Art.
Diese drei Männern können sich nie wirklich annähern, es steht immer was
zwischen ihnen. Die normalen familiären Zuneigungen herrschen kaum oder gar
nicht.
Oscar Thibault befindet sich in einem steten Clinche mit seinem Jüngsten, weil
er dessen Antriebslosigkeit und tiefe Freundschaft zu einem protestantischen
Jungen aufs Tiefste verurteilt. Er kann ihn nicht verstehen, er versteht die
jungen Menschen im Allgemeinen nicht, nicht was sie empfinden und was ihre Ziele
sind. Er hat sich nie um die Belange seiner Familie geschert, solange es so
funktionierte, wie er es sich vorstellte. Er wollte immer was zum vorzeigen, so
wie er sich gerne aller Welt als Gönner und gottesfürchtigen Mann
präsentierte, wollte er, dass der Name Thibault in Erinnerung behalten wurde.
Er tat viel, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Wenn er etwas nicht mochte,
dann den Tod und die damit verbundene Vergessenheit. Er wollte als Oscar
Thibault, den Gutmenschen und Helfer jedem ein Begriff sein. Während er das
für die Öffentlichkeit war, konnte er das bei seinen Kindern nie durchsetzen.
Du Gards Familienepos ist bis ins Detail durchdacht. Mich hat die Figur Jacques
von Anfang an fasziniert. Ein Junge hin und her gerissen zwischen seiner inneren
Unruhe und den weltlichen Pflichten. Er will frei sein und ist es doch nie. Nie
ist er zufrieden und immer zutiefst betrübt, die seltenen Momente in denen
Jacques fröhlich ist, werden kurzerhand durch sein ständiges in Frage stellen
vernichtet. Er kann keine Beziehung aufbauen, ohne sich nicht Hals über Kopf
und mit all seinen Sinnen in sie zu werfen, er kann keinen Abstand waren und ist
überall mit Herz dabei. Es bewegt ihn alles und doch findet er nichts, worin er
sein Glück sieht.
Antoine hingegen ist ein selbstbewusster Arzt, überzeugt von seinen
Fähigkeiten und beseelt von den guten Taten, die er vollbringt. Doch auch bei
ihm ist alles nur halb perfekt. Im Beruflichen kann er sich etablieren aber im
Privaten will sich nicht das einkehren, was er für sich erhofft, Liebe und
Anerkennung. Er versucht sich als Retter und Beschützer seines kleinen Bruders,
scheitert aber an dieser Aufgabe.
Fazit
Sehr spannend aber auch sehr anstrengend zu lesen. Eine faszinierendes
analytisches Porträts dreier grundverschiedener Persönlichkeiten. Bin gespannt
auf die letzten zwei Bomben-Kapitel.
Vorgeschlagen von Diyani Dewasurendra
[Profil]
veröffentlicht am 27. Juni 2009 2009-06-27 11:17:49