Ich habe mich jetzt an einen Autor - erneut - gewagt, der entweder sehr gemocht
oder absolut verrissen wird: das Buch des russischen Schriftstellers Vladimir
Sorokin: "Der Tag des Opritschniks", 2008 bei Kiepenheuer & Witsch
erschienen.
Rußland im Jahre 2027. In einem Land, welches dank seiner Handelsbeziehungen
mit China technisch auf dem neuesten Stand ist, fällt gesellschaftlich in die
Zeit Iwans des Schrecklichen aus dem 16. Jahrhundert zurück. Nicht nur die
reichen Öl- und Gasreserven sichern die Macht des Alleinherrschers, des
"Gossudaren": wie einst Iwan den Schrecklichen umgibt ihn eine Schar
ergebener Gefolgsleute, die "Opritschniki", die an SS bzw. SA aus dem
dritten Reich erinnern. Diese Truppe fährt in roten Limousinen, ihr
Erkennungszeichen ist ein Hundekopf. Sie merzen jeglichen Widerstand aus und
verhalten sich einfach nur als Sadisten. Politische Gegner werden umgebracht und
ausgepeitscht. Dabei versäumen sie keinen Gottesdienst der russisch-orthodoxen
Kirche und träumen vom "Heiligen Russland".
Das Buch wird aus Sicht von Andrej Komjaga geschrieben, der in Ich-Form seinen
kompletten Arbeitstag schildert. Er beginnt mit der Hinrichtung eines in Ungnade
gefallenen Oligarchen, wobei dessen Frau von der gesamten Garde vergewaltigt,
die Kinder verschleppt und dessen Gut zerstört wird. Die Auspeitschung von
Intellektuellen, ein Frühstück mit der liebestollen Gemahlin des Gosudaren und
eine dekadente Orgie schließen sich an.
Wie zahlreiche Rezensenten hat mich dieses Buch, welches aus meiner Sicht
vollkommen zu Unrecht mit politischen Zukunftsromanen eines Samjatin, eines
Huxley oder Orwell verglichen wird, einfach nur abgestoßen. Die Sprache
vulgär, kaum übersetzbar, die Szenen der Gewalt werden ohne Plan voyeuristisch
ausgewalzt, ohne dass ein "Masterplan" der Handlung in irgendeiner
Form erkennbar ist.
Natürlich soll dadurch die Brutalität des Rußlands - der Gossudar erinnert an
Stalin, es gibt aber natürlich Anspielungen auf das Rußland unter Putin -
verdeutlicht werden. Was aber fehlt, ist eindeutig eine kritische Reflexion zur
Gewalt. Und insofern ist das Buch für mich einfach abstoßend, da eine
kritische Reflexion über diese Gewalt nicht stattfindet.
Nun ist man von Sorokin ja gewohnt, dass er im Übermaß Gewaltszenen schildert.
Aber hier wird zwar die Psyche dieser "Täter", ihre Einstellungen und
Feindbilder, mit dem sie ihre Existenz rechtfertigen, durchaus angedeutet, aber
die Gewaltszenen selber sind einfach zu sehr ausgewalzt und haben keine Funktion
in der Handlung.
Nochmals: Gewaltdarstellungen alleine ohne sinnvollen Plot sind für mich nichts
anderes als Voyeurismus und somit nicht zu rechtfertigen. Schade, meine
Erwartungen wurden ganz und gar nicht erfüllt. Die als Vergleich genannten
berühmten politischen Science-Fiction-Romane setzen sich mit der von ihr
geschilderten Welt auseinander; dies gilt für Samjatins "Mo", Orwells
"1984", Huxleys "Brave new world", und ihre Nachfolger. Hier
- in diesem Werk - fehlt dies vollkommen.
Fazit
Nicht zu empfehlen!
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. Juni 2009 2009-06-11 11:53:50