Hakan Nesser gehört sicherlich zu den besten Krimi-Autoren Schwedens. "Der
unglückliche Mörder" ist sein sechster Kriminalroman - nachdem er mit
zahlreichen anderen Titeln wie: "Das falsche Urteil", "Das vierte
Opfer", "Das grobmaschige Netz", "Die Frau mit dem
Muttermal" und "Münsters Fall" bekannt geworden ist.
Protagonist ist sein Kommissar Van Veeteren, der mit viel Intuition glaubwürdig
seine Fälle löst. Hier nun trifft es den in Ruhestand gegangenen Polizisten
persönlich: Mordopfer ist sein eigener Sohn Erich, der offensichtlich seine
Finger bei einer Erpressung im Spiel hatte und bei der Geldübergabe Opfer eines
Mörders wurde. Dieser jedoch hat noch andere Personen auf dem Gewissen, nachdem
er in angetrunkenem Zustand einen Jugendlichen überfahren hatte und dabei
gesehen worden war...
Nesser wird - meines Erachtens zu Unrecht - mit
Henning Mankell verglichen. Er
schreibt kürzer und präziser. Seine Charaktere wirken auf mich glaubwürdiger.
Das gleiche gilt für den "Plot" der Handlungen. Insbesondere gilt
dies für den vorliegenden Fall. Dieser Krimi hat mir besonders gut gefallen.
Woran liegt dies? Während Mankell in seinen Krimis in der Regel aus Sicht des
Kommissars Wallander schreibt (nur wenige Kapitel beschreiben die Sicht des
Täters), wechselt hier die Szenerie: Kapitel aus der Perspektive des Täters
wechseln mit denen aus der Sicht des Kommissars Van Veteren und seines
Nachfolgers, Kommissar Reinhart. Diesem ist es eine Ehrensache, den Mörder des
Sohnes seines Vorgängers zu finden, was sich als sehr schwierig erweist. Diese
Darstellung aus verschiedenen Perspektiven ist gut gelungen und begründet eine
atemberaubende Spannung, die aus dem Versteckspiel Täter-Polizei resultiert.
Obendrein erhält der interessierte Leser Einblick in die Arbeit der Polizei,
die alles daransetzt, dem Täter auf die Spur zu kommen.
Gut finde ich, dass die Empfindungen des Täters, seine psychogische Angst vor
der Entdeckung der Taten glaubhaft herausgearbeitet werden. Meines Erachtens ist
hier kein Wort zu viel: sublim steigert Nesser die Spannung - bis zum Ende.
Jedoch werden auch die Gefühle des Opfers, hier des Kommissars van Veeteren,
glaubwürdig dargestellt; der Leser wird Zeuge, wie er über die Beziehung zu
seinem Sohn nachdenkt und einen "Sinn" in dem Geschehen sucht: er will
den Mörder seines Sohnes fassen, um ihm Aug in Aug gegenüber zu treten...
Mir ging es so: ich habe mich gefragt: wie würde ich als Vater reagieren, wenn
mein Kind ermordet worden wäre? Wie reagiert Van Veeteren, wenn der Täter
gefasst ist? Diese offene Frage und die Tatsache, dass Nesser aus der
Perspektive des "allwissenden Erzählers" schreibt, der die
Geschehnisse schon kennt (erkennbar an Wendungen wie "Der Junge, der bald
tot sein würde...") steigern die Spannung bis ins Unerträgliche.
Wer einen spannenden Kriminalroman sucht, der wird mit diesem Werk Nessers
meines Erachtens sehr gut bedient. Sicherlich ist der Stil des Autors - gerade
im Vergleich zu den Wallander-Romanen Mankells - gewöhnungsbedürftig. Aber
gerade dies zeigt mir: seine Figuren sind glaubwürdig, so könnte sich eine
reale Handlung wirklich abspielen bzw. abgespielt haben. Für mich ist ein Krimi
dann gelungen, wenn ich das Gefühl haben kann, dass diese Fiktion wirklich
hätte geschehen können und mich die Lektüre zum Nachdenken bringt. Dies ist
Nesser hier wirklich gelungen. Es kam bei mir nicht nur Mitgefühl für das
Opfer, sondern ein gewisses Verständnis für die Motive des Täters auf; seine
Situation, die von Mord zu Mord unhaltbarer wird, ist hervorragend beschrieben.