Für viele politische Denker war nur im übersinnlich Verwurzelten ein Vertrag
im politischen Bereich zwischen Bürger und Staat möglich. Die Verwurzelung in
der Gemeinschaft bildete für sie die Basis, um dem utilitaristischen Denken
eine andere, metaphysisch verwurzelte, Version des politischen Systems
entgegenzustellen. Der moderne Individualismus habe den derartig gut
konstituierten harmonischen Gesellschaftsbau zerstört.
Der Philosoph Julius Evola (1898-1974) gilt als bedeutendster antimoderner
Denker und Theoretiker jener Tradition, die einen harmonischen politischen und
gesellschaftlichen Aufbau erstrebten. Er stammte aus einem
sizilianischen-normannischen Adelsgeschlecht und nahm als Artillerieoffizier am
I. Weltkrieg teil. Evola versuchte sich selbst als Künstler und begann als
Futurist um 1915 mit dem Malen. Er widmete sich zudem der Esoterik und
Philosophie und schrieb zahlreiche Aufsätze. Die Rückkehr zu der von Evola
kulturanalytisch beschriebenen Tradition mit ihren vorchristlichen Mythen und
Lebensgesetzen wurde als sein Markenzeichen immer mehr zur politischen Forderung
erhoben. Im Jahr 1934 veröffentliche Evola sein Schlüsselwerk Rivolta contro
il mondo moderno (Revolte gegen die moderne Welt), in der er seine Kulturanalyse
erweiterte und eine Gesamtschau der Traditionen aller Indo-germanischen Kulturen
anbot (Die "Welt der Tradition").
Die hier vorliegende von Martin Schwarz herausgegebene Sammlung von Aufsätzen
Julius Evolas, die die politische Sphäre in der Perspektive der Tradition
betrachten und in den Jahren zwischen 1932 und 1952 in deutscher Sprache
erschienen waren, wurden auf Initiative der Edition Arnshaugk soeben neu
aufgelegt. Sie beinhaltet zentrale Essays mit den bedeutendsten Thesen Evolas.
Der "aristokratische Pessimismus" (Alain de Benoist) der aus dem Werk
Evolas spricht, kommt auch hier trefflich zur Geltung.
Viele Köpfe des seit 1927 in Italien unangefochten herrschenden Faschismus
kritisierten seine elitäre Haltung, die wesentlich eine durchaus lebbare
antimoderne Haltung zum Ausdruck bringt. Sie ist aber keineswegs - das bezeugen
die vorliegenden Texte - nationalistisch, sondern dienen einer
"übernationalen Ordnung". In ihr wird das Prinzip der Hierarchie dem
entropischen Prinzip der Gleichheit, das dem Aufstieg des Kollektivismus
Vorschub leiste, entgegestellt. Auch die europäische Einheit sei zugrunde
gegangen, als an die Stelle des überpolitischen Reichsprinzips das politische
Vaterlandsprinzip trat. Der organische Gedanke, der sich auch überpolitisch und
universal denken läßt, setzt für Evola einen Prozess der Integration voraus:
Nationale Integration erfolge durch Anerkennung eines Prinzips der
überindividuellen Autorität als Basis für die organische ständische
Gestaltung innerhalb einer Nation. Ziel ist stets die übernationale
europäische Einheit, die - sagen wir es mit aktuellen Worten - keineswegs im
Brüsseler Verwaltungsapparat aufgehen kann. Dieser bietet heute nicht jene
überindividuelle Autorität, die Evola sich einst wünschte. Entsprechend
überzeugen bereits die Titel der im Buch enthaltenen Texte: Über die geistigen
Voraussetzungen einer europäischen Einheit, Das Doppelantlitz des
Nationalismus, Über das Geheimnis des Verfalls oder: Europa und der organische
Gedanke.
Spannend zu lesen sind Evolas Reflexionen über die Nivellierung zwischen Mensch
und Mensch, der die Nivellierung zwischen Geschlecht und Geschlecht nachfolge
und der Feminismus sich herausbilde. Der Feminismus sei nicht imstande gewesen,
der Frau eine eigene Persönlichkeit zu verleihen. Er ahmt nur die Eigenschaften
der männlichen Persönlichkeit nach. Die Frau hat folglich im Feminismus keinen
eigenen Wert, wird nicht in ihrem So-Sein anerkannt. Sie gilt im Feminismus nur
etwas, solange sie zum Manne werden kann. Hier artikuliert Evola etwas, was man
als Bild über die Frau dem Feminismus nicht zutraut.
Fazit
Generell hat Evola jedoch Recht - so wie in vielen seiner unzeitgemäßen
Analysen, die das kleine Bändchen zügig und spannend zu lesen machen!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 10. Mai 2009 2009-05-10 10:33:59