Der "Herr der Ringe" gilt bis heute - zu Recht - als das wichtigste
Werk der Fantasy-Literatur. Wenn es ein Werk gibt, welches diese Gattung
begründet, so ist es dieses Werk. Das Werk, an dem Tolkien siebzehn Jahre
gearbeitet hat und welches zuerst 1954 in London veröffentlicht wurde.
Die Geschichte spielt sechzig Jahre nach den Ereignissen des 1937 erschienenen
"Kleinen Hobbit" (welcher extra nach Erscheinen des "Herrn der
Ringe" umgeschrieben wurde, wie Michael Magula in seinem hervorragenden
Werk "Tolkiens Welt" aus dem Jahre 2001 belegt). Frodo Beutlin, Neffe
von Bilbo Beutlin, der Hauptfigur des "Hobbit", feiert seinen 33.
Geburtstag, als der alte Zauberer Gandalf ins Auenland kommt. Er berichtet Frodo
von einem bösen Wesen namens Sauron, das den Ring für sich haben wolle. Sauron
habe diesen Ring den Elben gestohlen, um dadurch Macht zu erlangen und auf der
Welt zu herrschen. Der Ring jedoch wurde ihm wiederum von Gollum gestohlen, der
ihn an Bilbo verlor, wie im "Hobbit" und im ersten Kapitel des
"Herrn der Ringe": "Vom Ringfund" ausführlich begründet
wird. Frodo und seine Freunde Sam Gamdschie, Merry und Pippin machen sich auf,
um sich unerkannt im Osten des Hobbitlandes niederzulassen. Jedoch werden sie
auf ihrer Reise von neun Ringreitern, Knechten Saurons, verfolgt. Nach
zahlreichen Abenteuern, die im ersten Band: "Die Gefährten" behandelt
werden, kommen die Protagonisten sicher nach Bruchtal, wo der weise Halb-Elb
Elrond lebt. Er beruft eine Versammlung ein, die über das Schicksal des Ringes
entscheiden soll und schließlich beschließt: der Ring muss vernichtet werden.
Nur dadurch kann verhindert werden, dass Sauron ihn wieder in seinen Besitz
bringt. Der Ring muss in den lodernden Schlund des Schicksalsberges geworfen
werden. Ob dies gelingt? Die Handlung zieht sich über 2 weitere Bände:
"Die zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" hin.
Weltbekannt sind inzwischen die Abenteuer Frodo Beutlins und seiner Freunde,
nicht zuletzt aufgrund der aufwendigen - meines Erachtens hervorragenden -
Neuverfilmung.
Als Tolkien mit der Niederschrift des Romans begann, glaubte er noch, eine
Fortsetzung zum "Hobbit" zu schreiben. Aber im Laufe der siebzehn
Jahre, die er an dem Manuskript arbeitete, entwickelte es sich - so Magula in
"Tolkiens Welt" - zu etwas, was nichts mehr mit dem Kinderbuch des
"Hobbit" gemein hatte. Die ersten, sehr heiter gefassten Kapitel, sind
noch unter dem Einfluss des "Hobbit" verfasst worden. Vor dem
Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und der umfangreichen Stoffmenge wird das
Buch immer "düsterer" und verliert seinen Charakter als Kinderbuch.
Magula führt diese qualitative Veränderung auf die Arbeitsweise Tolkiens
zurück. Sich auf Tolkiens Biograph Humphrey Carpenter beziehend, schreibt
Magula, Tolkien habe ohne vorweg überlegten Plan gearbeitet. "Er begann
dort, wo der Hobbit geendet hatte, im Auenland, und zunächst sah es so aus, als
variiere er nur den unvorhergesehenen Aufbruch und die Abenteuer Bilbo Beutlins,
ergänzt um die seines Neffen Frodo. Erst nach einem halben Jahr, als Tolkien
sich über die Funkton des Ringmotivs klar geworden war, entwickelte er einen
gedanklichen Rahmen [für das neue Werk], den des Herrscherrings. Damit war auch
der Titel des Romans gefunden und zugleich der Rahmen einer Kindergeschichte
weit überschritten, denn anders als im Hobbit münden die Ereignisse im Herr
der Ringe in einen grausamen Krieg, der die gesamte Mittelerde zu verderben
droht."
Wie Magula weiter schreibt, habe Tolkien-Übersetzer Wolfgang Krege erklärt,
dass aufgrund der oben geschilderten Faktoren eine Ersetzung des bisherigen
Hobbit-Helden Bilbo durch Frodo unbedingt notwendig gewesen sei. Bilbo sei als
Held weiterer Abenteuer mit dem Ring, die sich nun in ganz andere literarische
Sphären erheben sollten, ungeeignet gewesen. Doch Frodo sollte nicht nur Bilbo,
sondern auch die Weisen und Mächtigen von Mittelerde ersetzen, die
selbstkritisch genug waren, den Ring nicht für sich haben zu wollen. Frodo sei
eine weniger scharf umrissene Figur als Bilbo, aber nachdenklicher,
widersprüchlicher und offener für Stimmungen, Träume, Vorahnungen und
Eingebungen. Dies ist entscheidend für das Ende der Trilogie, welches hier
nicht verraten werden soll.
Diesen Hintergrund der Entstehung muss man bei einer objektiven Bewertung des
"Ringes" immer vor Augen haben.
Tolkien hat sich immer als Märchenerzähler verstanden, der aus der
bedrückenden Alltagswirklichkeit in eine Welt fantastischer Weiten entfliehen
wollte. Dies hat er mit diesem Buch eindrucksvoll bewiesen. Es fasziniert, mit
welcher Phantasie die verschiedenen Welten erdacht wurden und auch die
Charaktere sind glaubhaft und interessant dargestellt. Leider hat der Zyklus -
besonders im ersten Teil - unglaubliche Längen. Es fehlt ihm auch die
ursprüngliche Heiterkeit und Unbeschwertheit des "Hobbit", den ich -
wie ich ehrlich gestehen muss - daher lieber mag als diesen
"Klassiker." Dennoch: Beim Lesen erstaunt mich immer wieder, wie sehr
die gesamte neue Fantasy-Literatur Ideen von Tolkien übernommen hat. Wenn es
einen "Grundstein" der Fantasy-Literatur gibt, dann ist es - neben dem
- Tolkien übrigens bekannten - Klassiker: "Der Wurm Ouroboros" von E.
R. Eddison aus dem Jahre 1926 - ohne Zweifel dieses imposante Werk.
Fazit
Wer sich für Fantasy-Literatur interessiert, kommt daher um diese drei Werke
meines Erachtens nicht herum.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 17. Mai 2003 2003-05-17 20:47:36