In Bickerseiland, einem einfachen Amsterdamer Stadtviertel fern der prächtigen
Häuser der Innenstadt, wächst der elfjährige Icherzähler in den 60er Jahren
wie auf einer Insel heran. Einige der Bewohner treiben Handel, einige sind
arbeitslos. Die Wohnungen sind so klein, dass das Leben meist auf der Straße
stattfindet. Man beobachtet die Welt vor dem Haus aufgestützt auf das
Fensterkissen, ein Sofakissen, das ins geöffnete Fenster gelegt wird. Im
Viertel sind beinahe alle miteinander verwandt. Außer mit den eigenen Tanten
und Onkeln wächst jedes Kind mit Nenntante und -onkel auf, Freunden der
Eltern, die bei Bedarf auf das Kind aufpassen und die jeden Sonntag als kleines
Taschengeld das Sonntagsgeld auszahlen.
Es gibt für Kinder und Erwachsene selten einen Anlass, über die Brücke zu
gehen, um die Insel zu verlassen. Der Müll wird damals noch in die Grachten
gekippt. Eines der wenigen Abenteuer für Kinder bieten die Schüttchen, die
Müllhaufen, wenn dort etwas angetrieben wird, für das es lohnt, vom
Schüttchen aus danach in der Gracht herumzustochern. Untereinander sprechen die
Leute von Bickerseiland Platt. Die Schule, in die ihre Kinder gehen und die
Sprache des Lehrers, die sie ziemlich affig finden, bleibt den Erwachsenen eine
fremde Welt. Der Lehrer der Kinder ist ständig bemüht, seine Schüler zu
fördern und ihnen die Welt außerhalb ihres Stadtviertels nahe zu bringen.
Diese fremde Welt dringt zunächst in Form von Lesezirkel-Zeitschriften, die
Onkel und Tante abonniert haben, und den Mickey-Maus-Heften einer Cousine des
Jungen in die beklemmende Idylle ein. Der Junge ist ein guter Schüler, doch ihm
ist klar, dass er zum Außenseiter in der heimeligen Welt seiner Kindheit wird,
wenn er "weitergeht", eine bessere Schulausbildung bekommt. Was es
bedeutet, nicht von Bickerseiland zu stammen, kennt der Junge sehr gut von
seinem Vater, der vom Land kommt und ins Viertel geheiratet hat. Der Vater wurde
stets als Fremder behandelt und kultiviert seinen Außenseiter-Status damit,
dass er zu feierlichen Anlässen als einziger Mann eine Fliege statt einer
Krawatte trägt. Seinen ersten Schritt ins Erwachsenenleben macht der
Icherzähler auf einer Paddeltour mit seinem Vater, die ihn aus dem Viertel
herausführt und vom Wasser aus die Plätze seiner Kindheit aus der Distanz
betrachten lässt. Auf dieser Tour wird dem Jungen und den Lesern deutlich, was
den Vater auf Bickerseiland tatsächlich zum Außenseiter gemacht hat und wie
unerwartet nah Vater und Sohn sich sind.
Fazit
"Sonntagsgeld" erzählt die Geschichte einer Kindheit unter kleinen
Leuten, die die Feste feiern wie sie fallen und nur durch ihren engen
Zusammenhalt in knappen Zeiten überleben können. Philip Snijders
Erstlingsroman zeichnet sich dadurch aus, dass er seinen Figuren eine
authentische Sprache gibt, sie mit all ihren Macken stets liebevoll darstellt,
ohne auf die Menschen herabzusehen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 29. März 2009 2009-03-29 10:32:21