Zwiespältige Gefühle begleiten mich bei der Lektüre von Kershaws
Hitler-Biographie. Sicherlich ist die Auswahl der Quellen beeindruckend und in
dieser Hinsicht befindet sich die Biographie auf dem neuesten Stand. Dennoch
halte ich die beiden Hitler-Biographien von Fest und
Haffner für besser. Fest, weil er
die kulturgeschichtliche Dimension deutlicher herausarbeitet und die Wichtigkeit
von Personen (Hindenburg...) stärker betont. Kershaw, der durch seine
Untersuchung über den "Hitler-Mythos" bekannt wurde, kommt hier
erneut auf seine Theorie der "charismatischen Herrschaft" zurück,
vernachlässigt aber meiner Meinung nach die Bedeutung der Beziehungen der
wichtigsten Personen zueinander. Ein Beispiel: Die FAZ hat in ihrer
hervorragenden Rezension darauf aufmerksam gemacht: Man vergleiche kritisch die
Schilderungen bei Fest und Kershaw um die Auseinandersetzung Hitlers und
Hugenbergs unmittelbar vor Hitlers Ernennung. Bei Fest wird der "Mythos
Hindenburg" für die Deutschen deutlich. Man kann "den Herrn
Reichspräsidenten" doch nicht warten lassen. Also wird der Streit
abgebrochen, Hitler wird ernannt. Auch fehlt mir der Aspekt, daß seit den
Juli-Wahlen von 1932 eine alternative Entwicklung kaum denkbar war. Fazit: eine
interessante Biographie auf dem neuesten Stand der Forschung (die Anzahl der
genannten Quellen ist beeindruckend und das Plus dieser Biographie), jedoch
scheint man mir mit den Biographien von Haffner "Anmerkungen zu
Hitler" und
Joachim
Fest ("Hitler: Eine Biografie") doch besser bedient, um zu
begreifen, "wie Hitler möglich war".
Fazit
Hohe Erwartungen wurden leider nicht ganz erfüllt.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 17. Mai 2003 2003-05-17 13:27:26