In der Arbeitswelt entstehen Burn-out-Syndrome durch Fremdbestimmtheit,
Zeitdruck, mangelnde Anerkennung und Unterstützung. Am Arbeitsplatz Familie
können junge Eltern von kleinen Kindern für sie selbst überraschend
erschöpft und überlastet sein. Mähler und Musall zeigen in ausgewählten
Interviewbeiträgen unterschiedlicher Familien, wie der Familienstress sich
jahrelang aufbauen kann. Wir selbst und Außenstehende stellen vielfältige
Anforderungen an die Erziehung. Wer ohne Geschwister aufwuchs und keine
Erfahrungen mit kleinen Kindern sammeln konnte, macht sich oft völlig falsche
Vorstellungen vom Alltag mit Kindern. Fremde Kinder erlebt man als niedlich oder
gerade schlafend und glaubt nicht, dass auch die eigenen Kinder krank oder
quengelig sein werden. Eltern sollen plötzlich eine Erwachsenen- und
Vorbildrolle in der Erziehung ausfüllen, die sie vorher nicht einüben konnten.
Wer vor der Familienphase unabhängig und berufstätig war, erlebt eine Art
Praxisschock und findet sich plötzlich als fremdbestimmt von den Bedürfnissen
eines Babys wieder. Oft hat man unterschätzt, wie viel öde Haus- und
Aufräumarbeit in einer Familie mit Kindern zu erledigen ist. Wenn aus einem
Paar eine Familie wird, sind neue Absprachen und neue Regeln fällig. Frauen
sind für ein Erschöpfungssyndrom anfälliger als Männer, weil sie sich
verpflichtet fühlen, perfekt die Bedürfnisse anderer zu befriedigen und dabei
den Sinn für eigene Wünsche verlieren. Der Familientherapeut Dr. Hendrik
Stegner stellt fest, dass die unklaren Anforderungen an die Eltern-Rolle, die
nicht realisierbare räumliche Distanz zu den Kindern und der missachtete,
unbezahlte Status den erziehenden Elternteil belasten.
Fazit
Mähler und Musall sind erfahrene Kursleiter in der Elternbildung. Sie haben
unterschiedliche Familien und einen systemischen Familientherapeuten für ihr
Buch interviewt. Die lebendigen Schilderungen aus dem Familienalltag bieten
bereits eine Fülle von Anregungen. Die Autoren zeigen Wege auf, wie Eltern sich
Ruhepausen und Ruhezonen ohne Kinder schaffen können, wie sie Fürsorge nicht
nur für andere, sondern auch wieder für sich selbst entwickeln können. Ein
flott formulierter Ratgeber für die Praxis, der die Lebensrealität junger
Eltern treffend beschreibt und mit aktuellen Umfragen belegt.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 29. August 2006 2006-08-29 11:18:26