Anneli Tullgren kandidiert für die rechtsradikale Gruppierung Nya Serige für
einen Sitz im schwedischen Reichstag. Sie ist noch keine 30 Jahre alt und eine
kompromisslose Streiterin für Arbeit, Pflicht und Vaterlandsliebe. Als
eloquente Kritikerin der so genannten Bittsteller-Gesellschaft fordert Tullgren
harte Bandagen gegen die, die den schwedischen Staat ihrer Meinung nach
ausnutzen wollen. Peinlich für Anneli ist nur, dass sie vor 13 Jahren als
Jugendliche einen Jungen mit Fußtritten tödlich verletzt hat (
Der Unsichtbare und
Kaltes Schweigen). Als verurteilte
Straftäterin, die ihre Strafe abgesessen und im Gefängnis ein Studium
abgeschlossen hat, steht die Nachwuchspolitikerin nun im Mittelpunkt heftiger
Diskussionen und erhält als Person des öffentlichen Lebens Polizeischutz. Noch
kann Anneli nicht ahnen, dass eine erbitterte Gegnerin ihren Tod beschlossen
hat. Es ist die 13-jährige Tove, eine der Zwillingstöchter des jungen Mannes,
den Anneli damals tötete. Tove ist überzeugt davon, dass Anneli nicht
verdient, zu leben; denn Hilmer, von dem Toves Mutter damals Zwillinge
erwartete, hätte auch kein Recht auf Leben gehabt. Tove glaubt fest daran, dass
ihr Vater solange keinen Frieden finden kann, wie sie ihn nicht gerächt hat.
Tove lebt bei ihrer Großmutter, einer Pastorin, die gern an das Gute im
Menschen glauben möchte, die Zwillingsschwester Lydia bei der Mutter. Am
Familientisch kündigt Tove an, dass sie Anneli töten wird - im klaren
Bewusstsein, dass sie mit 13 Jahren noch nicht strafmündig ist. Großmutter
Aina weiß sich nicht anders zu helfen, als für Tove einen Termin bei einer
Kinderpsychiaterin zu vereinbaren. Toves Mutter Ellen dagegen fühlt sich für
Toves unverhohlene Drohungen nicht zuständig. Wenn überhaupt jemand Tove den
Rachefeldzug ausreden kann, ist es Kommissar Fors, der das Mädchen schon seit
der Zeit kennt, als er im Fall des getöteten Hilmer ermittelte.
Als Anneli in ihrem Haus überfallen und schwer verletzt wird, sieht sich
Ermittler Harald Fors plötzlich zwischen den Fronten von verängstigten
Bürgern, von Politikern, die sich den kompromisslosen Kampf gegen jugendliche
Straftäter auf die Fahne geschrieben haben, und einer für ihre Aufgaben nur
unzureichend ausgestatteten und motivierten Polizei. Die schwedische Polizei hat
nach einer Reihe von fremdenfeindlichen Vorfällen ihr öffentliches Ansehen
verspielt. Eine ausufernde Bürokratie verhindert schnelles Handeln. Die Fälle
Anneli Tullgren, die Mord-Drohung von Tove und andauernde Scharmützel mit
aggressiven Jugendlichen scheinen für Fors und sein unzureichend ausgestattet
Team offensichtlich eine Nummer zu groß. Der von Wahl nüchtern geschilderte
schwache Staat kann seinen Bürgern keinen Schutz bieten und duldet im
öffentlichen Dienst antidemokratische, nicht leistungswillige Mitarbeiter. Die
erwachsenen Söhne des schwer verletzten Seferis finden sich als Opfer einer
Gewalttat allein gelassen und greifen zur Selbsthilfe, weil sie die schwedische
Polizei für völlig unfähig und für auf dem rechten Auge blind halten.
Wahls Jugendkrimi setzt sich kritisch mit dem Verhältnis Schwedens zu seinen
Einwanderern, mit unverhohlenem Rechtsradikalismus, fremdenfeindlichen Tendenzen
innerhalb der Polizeikräfte und mit Jugendkriminalität auseinander. Die Figur
der Tove, die mit ihren sonderbaren Gedanken bewusst und lustvoll Grenzen
überschreitet, steht stellvertretend für das menschliche Bedürfnis nach der
Sicherheit eines funktionierenden Rechtsstaates. Tove hat ihren Vater nie
kennengelernt. Als nicht geplantes Kind einer sehr jungen Mutter fehlt Tove
ganz offensichtlich eine vertraute Person, die ihr in der Pubertät Halt und
Orientierung bieten kann. Mit den Rachegefühlen des Mädchens sind Mutter und
Großmutter völlig überfordert. Erst Fors nimmt Toves Empfindungen an und kann
ihr begreiflich machen, dass niemand Unrecht tun darf, auch niemand, der sich im
Recht fühlt.