Die Ubiquität der Technik, die nivellierenden Folgen der Industrialisierung und
der entproblematisierende Anspruch der Rationalisierung haben, beschleunigt
durch den Zerfall der bisher geschichtsbildenden Staaten, Reiche, Imperien und
des Christentums die entortenden Tendenzen zu fixen Dominanten in der Lage der
Moderne aufsteigen lassen. Das Besondere droht vom Allgemeinen more geometrico
verschlungen zu werden. Das Konkrete droht der Abstraktion, der
Spiritualisierung zu verfallen. Das Subjekt droht Objekt zu werden, ohne zu
wissen, wessen Objekt.
Mit diesem Bändchen geht der Dichter grundlegend neue Wege. Es bleibt nicht
mehr bei dieser Kritik, sondern es wird nach Auswegen gesucht, die nur in einer
neuen Legitimität von Herrschaft bestehen können. Legalität und Legitimität
werden heute zunehmend zu taktischen Instrumenten, deren sich jeder bedient, wie
es im Augenblick vorteilhaft ist. Auch die Verfassung löst sich so in ihre
widersprechenden Bestandteile und Auslegungsmöglichkeiten auf. Lammla geht es
aber nicht um eine Legitimität, die biegsam und mißbrauchbar ist, sondern um
eine feste Verbindlichkeit, an der niemand sich zu rütteln anmaßt.
Dafür steht in diesem Buch die Seerose, die in reinen Farben aus Sumpf und
Moder erblüht. Der Seerosenritter zeigt Parallelen zu Lohengrin, denn das
massive Vertrauen, das er bewirkt, läßt ihn sicher, fest und sanft agieren.
Neben zahlreichen Artus-Geschichten und dem Mythos der Seerose und des
Seerosenritters enthält der Band eine lange Initations-Ballade, in welcher der
Held in Indien seinem Totemtier begegnet.
"Amalthea" beschließt das Buch, ein Hymnus auf den Himmel des Zeus
und ein Schwanengesang des Goldenen Zeitalters:
"Wo den goldnen Reichen
Wächst das reinste Gold,
Ist im Himmelszeichen
Helios weit gerollt,
Schwermut des Titanen,
Der nicht deuten kann,
Wie im Glanz der Bahnen
Höchster Glanz zerrann."
Die Standfestigkeit der Seerose in ihrer schönen Erscheinung steht also auch
für Energie, Verwurzelung, Glanz und Ehrerbietung an das unbedingte Vertrauen,
welches verwurzelte Menschen ausstrahlen. Gerade im Hinblick auf die heutige
Naturzerstörung muß festgestellt werden, daß Lammlas Naturdichtung kein
Abgesang oder eine Reminiszenz an schönere Zeiten ist. Vielmehr zeigt sie, daß
Standfestigkeit nur im Vertrauen auf die Symbole der Natur erwachsen kann.
Fazit
Es geht bei der vorliegenden Lyrik nicht um eine vermenschlichte Natur oder um
Motive, die eine Folie menschlicher Gefühlswelt sind, sondern um die Einbettung
des Naturhaften in den als genuin-ursprünglich erfaßten Gesamtkosmos.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 21. März 2009 2009-03-21 17:05:57