"Für die Liebe, für die Kunst" - ein gelungenes Debüt, in dem
ausgewählte Geschichten über den alltäglichen Arbeits- und Lebenswahn eines
jungen Berliners präsentiert werden. Als Leser erhält man in 17 Texten
ehrliche, aber mitunter auch sehr skurrile Einblicke in Berliner Subkulturen.
Und dies mittels der Gedankenwelt eines Mannes, der sich mal als Wurstverkäufer
versucht, sich als Filmproduzent über nervige "Künstlerdeppen"
ärgert oder sich mit Emanzen der besonders aggressiven Art herumschlagen
muss.
Der "kompromisslose Held" erzählt mal sarkastisch von seiner
ehrenamtlichen Arbeit in einem Hospiz - und berichtet, wie er dort die
Schwesternschülerinnen als selbstloser Humanist beeindruckt, aber trotzdem
keine abkriegt - oder mal, wie er voller Abscheu die sogenannten Untermenschen
beobachtet, während diese bei Aldi ihrem Schnäppchenjägerdasein frönen. Und
in derselben Geschichte darf der Leser zuvor freundlicherweise noch an den
essentiellen Überlegungen des Protagonisten teilhaben, wohin er wohl
schnellstmöglich den Inhalt seines Magens entleeren könnte.
Ebenso tritt er des öfteren mit der ihm unverständlichen Spezies Frau in den
Kosmos der Kommunikationsstörungen ein. Beispielsweise in der "U8":
Dort befindet er sich - wo er doch lediglich seine Fastfood-Burger in der U-Bahn
verschlingen möchte - plötzlich in einem Balzgespräch mit einer hübschen
"Zeckenfrau mit halblangen schwarzen Dreads und ungefähr vier Meter langen
Beinen". Gegenseitig werfen sich die beiden Schimpfwörter und gängige
Klischees an den Kopf. Als sich dann noch die lauschenden Mitfahrer einmischen
und "eine sympathisch wirkende Frau, Typ Fleischerfachverkäuferin"
die "Kampfsau-Masche" der moralinsauren "Puppe" bemängelt,
dankt der Protagonist für die Zivilcourage.
In vielen Geschichten sind es diese Dialoge und die sehr simpel auf den Punkt
gebrachten Beobachtungen des Protagonisten, die den Reiz der Texte ausmachen.
Durch die treffende und oft trockene Sprache liefert Lukas eine sehr amüsante
Situationskomik, die im nächsten Moment aber auch in ernste Tragik umschlagen
kann. Ehrlich und zumal auch etwas derb werden kleine und große Themen des
Seins pointiert angeschnitten.
Es ist sehr zu empfehlen, sich die Geschichten zuerst auf der beiliegenden CD
anzuhören. Clint Lukas, Mitglied der Surfpoeten, verleiht aufgrund seiner
Lesebühnen-Erfahrung durch seine Stimme und Intonierung den Texten etwas
Großartiges. Er liest mal ruhig und gewitzt wie ein kleiner unschuldiger Junge,
mal in Sarkasmus und Lakonie kaum zu übertreffen, und doch immer so lässig,
wie sein Konterfei auf dem Buchcover aussieht.
Fazit
Kurzum: Dieses Buch, zu hören in 68 Minuten und zu lesen auf 119 Seiten, kann
ich "ohne Kompromisse" empfehlen! Ebenso wie den Besuch einer
Liveperformance von Clint Lukas. Denn dort macht es noch mehr Spaß, seinen
Texten zu lauschen, da sie durch seine Gestik und Mimik noch dazugewinnen.
Vorgeschlagen von Martha
[Profil]
veröffentlicht am 26. November 2011 2011-11-26 18:03:20