Rousseau, geboren 1712 in Genf, war ein origineller Denker, der Bedeutung für
Deutschland, die Romantik und den Sozialismus hat. Er ist aber ein gescheiterter
Denker im Bereich politischer Philosophie, erkannte jedoch im Gegenzug die Krise
der Moderne und hatte sie selbst durchlitten und kritisiert. Die wesentlichen
Übel der Moderne sind für ihn Eigentum und Aneignung. Er wollte die
politischen Verhältnisse analysieren und kam schnell zu dem Schluß, daß die
kulturelle Verkommenheit vom Menschen selber stamme. Damit hegt er großes
Mißtrauen gegen die Menschen, denn die Zunahme der Zivilisation bringe Zerfall
und Laster. Die Menschen seien nicht mehr bei sich selbst. Rousseau will aber
den natürlichen Menschen - ein Ziel, das er mit der Kritik der Moderne und dem
Lobpreis der Natur zu erreichen trachtete.
Erst wenn man mit Sentiment den Naturzustand betrachtet, erkenne man, daß es
dort das Prinzip der Selbsterhaltung (amour de soi) und das Mitleid miteinander
(pitié) gab, welche Basis für alles moralisches Handeln seien. Die
Rückentwicklung zum Naturzustand ist aber nicht mehr möglich. Es geht Rousseau
also um die Rückgewinnung einer zweiten Natur, weil die erste verloren ist,
einer zweiten Bewußtseinshaltung. Das vorliegende Buch "Bekenntnisse"
umfasst zwei Teile. Der erste Teil behandelt den Zeitraum 1712 bis 1741, der
zweite den von 1741 bis 1765. Tatsächlich jedoch vollendet Rousseau 1770 sein
Buch, d.h. der erste Teil reicht von der Geburt bis zum 29. Lebensjahr, der
zweite vom 29. bis zum 58. Lebensjahr.
Auffällig ist, daß Rousseaus eigentliches Wirken als Philosoph in den zweiten
Teil der "Bekenntnisse" fällt. Das Leiden, das Traurige, das
Unglückliche versuchte Rousseau in diesem Buch zu verarbeiten. Rousseau
erscheint hier vielmals als weibliche Natur. Er schreibt u.a. als Anwalt der
Frauen. Bis heute haben wenige Leser zur Kenntnis genommen, dass Rousseau mit
seinem Buch keinen Bestseller schreiben wollte, sondern einen Kampf mit sich
selbst ausgetragen hat. Er wehrte sich gegen die dunklen Emotionen, ähnlich wie
Martin Luther oder Blaise Pascal. Nietzsche demgegenüber versuchte mit ihnen zu
leben und zu kämpfen. Die vorliegende Schrift ist kein Beispiel einer
wahnsinnigen, erfolgsorientierten und gewinnsüchtigen Person, sondern sie
enthält die Erkenntnisse einer einsamen, gedemütigten und weisen
Persönlichkeit.
Zwar ist es ein dickes Buch, aber der Leser wird nicht enttäuscht. Man lernt zu
verstehen, warum die alte akademische Wissenschaftlichkeit mit ihren
Ausklammerungen, Verheimlichungen, Ausgrenzungen ihrem Ende entgegenstrebt. Mag
man den Autor stellenweise als wahnsinnig einstufen, so wird man doch intensiv
mit einem tiefen Denker konfrontiert, der in zwölf Büchern seine Kindheit und
Jugend bis 1741 darstellt, von der Zeit seiner Wanderschaft berichtet und
parallel dazu Wünsche und Sehnsüchte
nachempfinden läßt. Gemäß seinem philosophischen Grundanspruch vermag
Rousseau desgleichen die idyllische Natur zu vermitteln: das Freie, das
Majestätische,
die Welt der Berge, welche die Seele weitet.
Fazit
Fazit: Ein Denker, der die entartete Kultur bekämpft und für einen Rückweg
zur Natur steht, in der alle Menschen gleich und frei waren, breitet hier sein
Innerstes aus. Dieses Innerste war einst auch dazu in der Lage,
politiktheoretisch die Option einer aufgeklärten Diktatur zu denken und auf
Hegel und Lenin fortzuwirken. Solche Hintergründe machen es spannend, das Wesen
des Philosophen in seinen Bekenntnissen mehr zu ergründen.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 21. März 2009 2009-03-21 15:23:16