Aggression, Selbstbehauptung, Überleben, Bedrohung, Sorge, Sehnen - den Alltag
des Menschen bestimmen viele Gefühle, aber auch Ziele und emotionelle
Grundeinstellungen. Der Mensch steht zwischen physischem und psychischem Erleben
und versucht darin zu überleben. Er muß sein Gleichgewicht aufrechterhalten,
wenn er funktionieren will. Er braucht Objekte der Verehrung, Werte, Ideale,
Ahnen, Großväter und auch - Fußball. Von der Angst will er frei sein. Das
beste Mittel dazu ist manchmal, aggressiv zu sein. Das Gefühl der Angst
schwindet in dem Überschritt zur Aktivität der Aggression weg von der
Passivität der Angst. Es sind dies allgemeine Merkmale menschlichen Seins, die
sich im Alltag oftmals beim Gegenüber zeigen und beobachtbar werden. Sie bilden
Muster des Verhaltens, die zu beobachten eine optimale Aufgabe für den
Schriftsteller ist.
Die Autorin des vorliegenden Bandes ist eine solche Schriftstellerin. Sie ist
bekannt im Theater und hat nunmehr ihre Rolle als Prosaautorin, und zwar mittels
des Beschreibens des Alltags in Berlin, angenommen. Das Ergebnis kann sich sehen
lassen: Die schrägen, schönen, klugen Texte über die Schieflagen des Lebens,
des Alltags, der Gegenwart, des Kunstschaffens und des Nichtstuns, die
Beschreibung von Mitmenschen, der Versuch, sie zu durchschauen sowie die Sicht
auf deren Leidenschaften - wie der Fußball - finden in diesem Buch auf
originäre Weise ihre schriftstellerische Artikulation. Die Autorin definiert
z.B. Kampftrinken neu und erwägt Kinderreichtum als alternative Lebensform.
Sie liest Schnitzler im Cafe, predigt in Kneipen, sucht die Ruhe, wird beinahe
überfahren ("Wie ich einmal nicht überfahren worden bin") und
bemüht sich, den Ansprüchen an eine große Dichterin gerecht zu werden
("Zunixkommen"). Felicia Zellers
schwäbisch-berlinisch-phantastisch-analysierender Stil ist voller
überraschender, witziger, erkenntnisreicher Wendungen, so etwa die Wiedergabe
eines Gesprächs zwischen Berlinern:
"Man muß es halt einfach mal machen. Ja wir haben auch gesagt, daß wir es
mal machen. Man muß sich halt einfach mal die Zeit dazu nehmen. Sollte man auch
mal machen. Ja. Sollte man."
So stellt Zeller die typischen Ambitionen, Leiden und Sehnsüchte des normalen
Menschen heraus. Zellers Texte gehen gegen den Strom. Sie sind so, als seien sie
geradeaus gesprochen - gleichsam als hätte sie das futuristische Manifest für
eine neue Prosa sich zueigen gemacht, wendet sie sich vom Duden-Deutsch ab,
fröhnt ihrer eigenen Kunstsprache und ist damit eine Autorin eigenen Stils. Er
stellt Szenen dar, in denen viel getrunken und geraucht wird, Neukölln entdeckt
wird und so manche Pointe sich am Ende der Beiträge eröffnet. -
Fazit
Deutsche Prosa der besonderen Art!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 15. März 2009 2009-03-15 14:04:37