Einer der besten Thriller ist zweifellos "Dein Schatten, dem ich
folgte" von Robert Goddard. Es handelt sich hier in der Tat eher um einen
Thriller als um einen Krimi, da das Spannungselement hier stärker hervortritt
als das Element der Detektion oder der Verbrechensgeschichte.
Im vorliegenden Fall versucht der Geschichtslehrer Martin Radford, der die
Erlebnisse in Ich-Form schildert, die Hintergründe des Rücktrittes des
früheren Innenministers Strafford im Kabinett Asquith aufzuklären. Der
südamerikanische Millionär Leo Selleck, den eine geheimnisvolle Beziehung mit
Strafford verbindet, bittet Radford darum. Er gibt ihm die Memoiren des
früheren Ministers in die Hand.
Hier nun setzt die zweite Handlung ein: in seinen Memoiren berichtet Strafford
von seiner Liebe zu der Suffragette Elisabeth Latimer, die ihn jedoch kurz vor
der geplanten Heirat mit dem Vorwurf, er, Straford, habe sie betrogen,
verlässt. Niedergeschlagen und zermürbt von politischen Differenzen reicht
Strafford seinen Rücktritt ein, da auch der Premierminister ihn nicht länger
im Kabinett behalten will. Strafford grübelt bis zu seinem Lebensende darüber
nach, welcher Art von Intrige er zum Opfer gefallen ist, denn er hatte Elisabeth
in keinster Weise betrogen. Sie - zutiefst verletzt - verweigert jedoch eine
Aussprache und auch der Premierminister, dem eine bestimmte Information über
Strafford zugegangen war, verlangt die Demission des Ministers.
Strafford muss sich nun an die Aufklärung des verzwickten Falles machen. Diese
gestaltet sich komplizierter als er selbst zuvor ahnt. Auch sein eigenes Leben
wird dadurch entscheidend verändert. Mehr soll hier natürlich nicht verraten
werden.
Die Handlung ist sehr komplex, jedoch ist das Buch atemberaubend spannend
geschrieben, so richtig geeignet als Nachtlektüre. Jeder Bekannte, dem ich
dieses Buch empfohlen habe, wurde dadurch in den Bann gezogen. Inzwischen hat
Goddard - beruhend auf dem Erfolg seines Debuts - weitere Bücher
veröffentlicht, die allerdings meines Wissens nicht an den Erfolg des Erstlings
anknüpfen konnten.
Der Preis dieser Spannung liegt allerdings im zum Teil platt gezeichneten
Dualismus der Charaktere mit Ausnahme der inzwischen über 90-jaehrigen
Elisabeth Latimer, die von Goddard richtig sympathisch und lebensecht
dargestellt wird. Ihr wird Radford im Laufe seiner Ermittlungen noch begegnen.
Der Rest der Protagonisten ist alllerdings sehr schwarz-weiss gezeichnet, also
entweder gut oder abgrundtief böse. Auch der langjährige britische
Premierminister Churchill taucht kurz als Nebenfigur auf; er wird durchaus
negativ gezeichnet.
Ich gaube, diese Einfachheit und mangelnde Entwicklungsfähigkeit der Charaktere
ist schon immer traditionell eher Kennzeichen des Thrillers als des
Kriminalromans oder der Detektivgeschichte, damit sich der Leser aufgrund der
Schwarz-Weiss-Zeichnung ganz mit den sympathisch gezeichneten Hauptfiguren des
Romans, dem arbeitslosen Geschichtslehrer Radford und dem betrogenen
Innenminister Strafford identifizieren kann. Hierzu trägt sicherlich die
Erzählperspektive in Ich-Form bei, die Goddard daher - offenbar bewusst - in
jedem seiner Romane wählt. Kennzeichen der Romane Goddards ist auch, dass die
Protagonisten niemals unbeschädigt aus den menschlichen Dramen, in die sie
verwickelt werden, hervorgehen. In seinem ebenfalls hervorragenden Buch
"Nimm niemals Abschied" stirbt der Protagonist sogar am Ende. Auch in
der vorliegenden Erzählung müssen sowohl der Historiker Radford wie auch der
betrogene Strafford einen Preis für ihre Verstrickungen in diese Affäre
bezahlen. Goddard stattet seine Hauptfiguren nicht mit omnipotenter Allmacht
aus. Er gewährt ihnen auch keine polizeiliche Amtshilfe. Vielmehr zeigt er sie
mit allen Fehlern und menschlichen Schwaechen, die auch die Leser haben.
Fazit
Vielleicht macht dies den Erfolg seiner Bücher aus.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. März 2009 2009-03-11 22:18:46