Sie wollten in einer außerordentlichen Lage, in der große Leiden die Völker
dafür reif gemacht hatten, bevor wieder Verkrustung drohte, mit ihrer Erhebung
zugleich für neue Formen des staatlichen Lebens und des Sich-Zusammenfindens
der Völker die Bahn brechen. Dieses Bekenntnis wurde durch eine Tat fast
Realität. Aus einem Gesamt der menschlichen Kräfte her sollte gestaltend in
die zum Ungeist, zur Unfreiheit und Sklaverei fortreißenden Entwicklungen des
technischen Jahrhunderts und damit auch in die Entwicklung des
Nationalsozialismus eingegriffen werden. Dies ist die Wertung des Widerstandes
durch den Autor Eberhard Zeller, der als einer der ersten Kenner der Geschichte
des 20. Juli und Bekannter der Brüder Stauffenberg ihre Geschichte
niederschrieb.
Es gibt viele Bücher über Stauffenberg, den Attentäter des 20. Juli, aber
eben nur eines, über das seine Witwe Nina Gräfin von Stauffenberg gesagt hat:
"Das Bild meines Mannes ist mir aus anderen Veröffentlichungen fast hinter
einer Wand verschwunden. Bei Zeller fand ich ihn wieder." Das hier
vorliegende Buch ist nun auch eine sehr persönliche Studie über die Person
Stauffenbergs. Sie betont die Grundauffassung des Attentäters, nur aus einer
Selbstsühnung heraus einen fruchtbaren Frieden und ein neues staatliches Leben
stiften zu können. So nur würden die Deutschen ihre innere Freiheit, ihre
eigenes Bild zurückgewinnen können - um es mit dem altrömischen Wort zu
sagen, die Übereinstimmung mit ihren Göttern und Genien, die sie durch ihr Tun
geschändet hatten.
Zellers einfühlsame Biographie über den Motor des militärischen Widerstandes
gegen Hitler ist das einzige große Lebensbild mit wissenschaftlichem Anspruch,
das Stauffenberg so zeigt, wie Familie, Freundeskreis, dienstliches Wirkungsfeld
und der Bund der Mitverschworenen gegen Hitler, von Beck bis Tresckow, ihn
erlebt haben. Ein Buch, das allen, die sich je gefragt haben: "Wer war
dieser Stauffenberg?", die Faszination und außergewöhnliche Ausstrahlung
dieses Mannes so nahe bringt, wie es überhaupt nur möglich ist. Zeller
beschreibt insbesondere den "Geist der Freiheit", der die Empörer des
20. Juli trieb. Wer nicht in einer Atmosphäre der Freiheit zuhause ist, die
unantastbar und unberührbar bleibt, allen äußeren Mächten und Zuständen zum
Trotz, der ist für ihn verloren. Der ist aber auch kein richtiger Mensch,
sondern Objekt, Nummer, Statist, Karteikarte. Genau das war Stauffenberg nicht.
Im Gegenteil. Sein intensives Bemühen, um den Menschen bodenständig zu machen,
gewissenhaft, urteilsfähig sowie das Bestreben zur Erziehung zur Transzendenz
und Immanenz, die Verschränkung der Sphären als echte Ordnung der Dinge - als
deutsche Ordnung - dies war das Fernziel des Attentats. Es geschah vor dem
anthropologischen Bild, daß der Mensch anzuleiten sei, sich selbst als
Ordnungsentwurf ernst zu nehmen und zu deuten und zu befolgen. Dieser
existenziale Humanismus ging davon aus, daß die Masse den durchschnittlichen
Typus des "einen" Deutschlands vertritt. Das "andere" und
wahre Deutschland sei kaum vertreten und werde zum Tode verurteilt im Geplänkel
oberflächlichen Geredes. Genau dies abzuwenden, darin liege der Auftrag.
Zellers Werk ist eine faszinierende Biographie, deren Inhalt ebenso beeindruckt
wie ihr großartiger Stil. Man findet in ihr ein deutsches Streiten um Ideen und
Lehrsätze dargestellt, die sich in Hinwendung auf ein verpflichtendes Ziel, das
über dem Heil des Einzelnen steht, in seiner Bereitschaft, dafür Opfer zu
bringen, offenbaren. Treibende Kraft war die Hoffnung, daß es bald viele
Deutschen besser haben werden. Stauffenberg aber war aus der Sicht des Autors
davon überzeugt, daß man seither in erschütternder Form den Anfang des
Zusammenbruchs einer großen Nation erlebe, nicht nur militärisch, sondern vor
allem auch psychisch.
Der Autor dieser "inneren Biographie" ist durchaus berechtigt,
derartiges zu sagen, denn er ist ein Berufener. Eberhard Zeller ging mit
Stauffenberg auf eine Schule, lernte ihn näher kennen durch die gemeinsamen
Freunde Frank Mehnert und Rudolf Fahrner, die engsten Vertrauten Stauffenbergs,
denen Zeller wie dem einzig überlebenden Bruder Alexander Stauffenberg zeit
ihres Lebens nah verbunden blieb und sie schätzen lernte. Selbst Winston
Churchill sagte 1946, es habe in Deutschland eine Opposition gegeben, die
quantitativ durch ihre Opfer und durch eine entnervende internationale Politik
immer schwächer wurde, aber zu dem Edelsten und Größten gehört, was in der
politischen Geschichte aller Völker bisher hervorgebracht wurde. Ihre Taten und
Opfer seien das Fundament eines neuen Aufbaues.
Wichtig ist nur, daß man sich bei den Gesprächen über eine künftige
staatliche Gestaltung einig in der Ablehnung jedes Monopol- oder
Staatskapitalismus war, ob in autoritärer oder liberaler Gebärdung. Ebenso
schien man einig, daß keine anderswo ausgebildete demokratische Form von
Deutschland übernommen werden könnte. Dies nun hatte Churchill nicht erfaßt,
als es ihm um eine klägliche wie auch immer geartete aber nicht endgültig
ernst genommene Würdigung des Widerstandes ging. Anders hingegen Theodor Heuß,
dessen Haltung im Buche Zellers abgedruckt ist. Heuß sprach in einer Würdigung
des 20. Juli einst davon, daß das Vermächtnis der Empörer noch in Wirksamkeit
ist, und die Verpflichtung noch nicht eingelöst sei. - Damit hat er als
Deutscher den Kern des "Geheimen Deutschland" besser erfaßt.
Stauffenberg fand die Worte vom "Geheimen Deutschland" niemals vor dem
20. Juli. Erst als ihn die Salven trafen, rief er es aus und beschwor damit
etwas, was sein Leben erfüllte. Und so versteht sich seine Motivation wohl nur
aus ihrem geistigen Hintergrund - jenseits aller nachträglichen Deutungen und
Aufrufe: Bei einem nächtlichen Bombenangriff stand Stauffenberg auf seinem
Balkon in Wannsee und habe nach Angaben seiner Frau Nina Verse gesprochen.
Darauf stürzte er ins Zimmer, holte das Buch und zeigte ihr die Verse. Es war
das George-Gedicht "Der Widerchrist". Es besagt, daß das Böse in
Gestalt des Lichtes auftritt, in der Gestalt des geschichtlich Notwendigen und
des scheinbar Wohltätigen. Dennoch beschwört das Gedicht die mythischen
Gegenkräfte und Empörer gegen den Trug. Als solche Kraft verstand sich
Stauffenberg.
Fazit
Der Autor und sein Verständnis vom Widerstand ist ihr in diesem Buch einmalig
dicht auf den Fersen.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 08. März 2009 2009-03-08 11:19:15