Nachdem der Brauersohn Bryn Bellyset im ersten Band der Fantasy-Reihe
Calaspia. Die Verschwörung einige
Jahre lang fern seines Heimatdorfes Wenfeld in Quiveldea bei den "Aposteln
des Verstehens" unterrichtet wurde, ist nun im Staatenbund Calaspia für
ihn eine besondere Rolle vorgesehen. Calaspia wird durch geheimnisvolle Feinde
von außerhalb des Landes, durch einen sich in der Gesellschaft abzeichnenden
Werteverfall und durch das Eindringen des so genanten "Wahnsinns" aus
der Geisterwelt bedroht. Der mit magischen Fähigkeiten ausgestattete Imperator
Aurgelmir, sein Bruder Rameon, der Thronerbe, und ihre Schwester Peasmi sehen
ihre Herrschaft durch einen noch unbekannten Konkurrenten bedroht. Nomidien, ein
Teil Calaspias, leidet aktuell unter einer Dürre und fühlt sich vom
nördlichen Nachbarn Polgaren bedroht. Eine Gruppe von Loyalisten findet sich
zusammen, um den Niedergang des Reiches aufzuhalten und der Unterdrückung der
Bevölkerung durch eine kleine Elite Widerstand entgegenzusetzen.
Bryn und sein Kamerad Mittni werden in die Zitadelle des Ritterordens der Culmus
Sangui gesandt, um dort in aller Heimlichkeit eine Ausbildung als Elitekrieger
zu absolvieren. Die Culmus Sangui sind ein streng hierarchisch gegliederter
Orden, in dem man vom Lehrling über den Schüler, zum Paladin, Meister und
schließlich Großmeister aufsteigen kann. Ein dezidierter Verhaltens-Codex
bestimmt das Verhalten der Lehrlinge in der Zitadelle, die Kampfstärke jedes
Einzelnen definiert seinen Rang innerhalb des Ordens. Lady Sarghenta, die
mächtigste Frau Calaspias, die schon über 80 Jahre alt ist, gibt den beiden
Freunden den letzten Schliff im Fechten und im taktischen Denken. Sie erkennt in
Bryn eine besondere Begabung und will gezielt seine Überlebens-Instinkte und
sein Urteilsvermögen fördern. Die Schilderung der Beziehung zwischen der
greisen Lehrmeisterin und ihren Schülern zeigt, wie die Autoren in den
Geschichten um Calaspia sehr viel über den Kopf laufen lassen, von Ereignisse
berichten, sie jedoch selten anschaulich darstellen. Sarghenta trägt ihrem
Schüler Bryn ihren Stoff vor, anstatt ihn eigene Schlüsse ziehen zu lassen.
Meister Vallon, ein kleinwüchsiger Mann von der Größe eines Säuglings, ist
für das mentale Training der beiden Schüler zuständig. Auch er erkennt Bryns
Fähigkeiten, schätzt ihn als herausragenden kritischen Kopf ein. Die
Waffenmeisterin Tamasan trainiert Bryn und Mittni im Schwert- und Axtkampf.
Gemeinsam mit einer Truppe von Räubern, den Raben, vervollkommnen Bryn und
Mittni sich schließlich in einem Lager im Amboß-Gebirge im Bogenschießen und
im Überleben in der freien Natur. Die Etappen der Ausbildung der beiden
Gefährten werden einige Male durch geheimnisvolle Missionen und Kampfhandlungen
unterbrochen.
Bryn nimmt inzwischen die Kraft seiner Gedanken wahr, er experimentiert damit,
meditiert, und lernt Körper und Geist zu beherrschen. Doch für seine Freunde
hat Bryn sich nicht allein zu einem beängstigend guten Kämpfer entwickelt, sie
sehen seine zunehmende Reizbarkeit mit Beunruhigung. Bryn zeigt sich in
Zweikämpfen außergewöhnlich aggressiv und wird von Visionen heimgesucht, in
denen rohe Gewalt herrscht. Bryn empfindet seine besonderen Fähigkeiten und die
für ihn vorgesehene Rolle zunehmend als Bürde. Nachdem die Freunde im Laufe
ihrer Ausbildung getrennt wurden und jeder für sich gefährliche Abenteuer
überlebte, treffen beide schließlich wieder mit Galar dem Zwerg zusammen.
Bryn hat inzwischen neun Jahre lang außerhalb seines Heimatdorfes verbracht.
Beim ersten Wiedersehen mit seinen Eltern sieht der inzwischen volljährige
junge Mann sich mit den Erwartungen an ihn als Sohn und Erbe eines
Brauerei-Imperiums konfrontiert. Es ist an der Zeit, dass Bryn aus einer alten
Legende erfährt, wie der Wahnsinn in die Welt gekommen ist, finden die
Bellysets.
Nach Bryns Heimkehr wecken die Autoren geschickt die Neugier ihrer Leser auf
die Zukunft Calaspias. Inzwischen hat sich Beltued, eines der sechs Länder
Calaspias, zu einer durch Piratenüberfälle in ihrer Existenz bedrohte Seemacht
entwickelt. Nicht nur Bryn Bellyset wird sich zukünftig mit der anhaltenden
Bedrohung des Staatenbundes von außen konfrontiert sehen. Gestaltwandelnde,
empathiegesteuerte Waffen werden zukünftige Kämpfe um Calaspia entscheiden.
Der Wiedereinstieg in die Welt Calaspias gestaltet sich ohne Personen-Register
unerwartet schwierig. Neue Figuren, Lebewesen, Artefakte und auch Zauber stehen
unvermittelt im Raum, ohne dass ihre Eigenschaften oder Vorgeschichte vermittelt
werden. Das erste Drittel des Buches erweist sich als sprachliche Holperstrecke
mit ungeschickten Formulierungen (schlechte Situation, bittere Geduld,
unvorstellbare Kräfte, heimtückische Schicksale, quälende Nostalgie),
Floskeln und Füllwörtern. Die Wortwahl ist streckenweise inkonsequent, wenn z.
B. ein Schüler im folgenden Satz Student genannt wird und anschließend wieder
Schüler. Ein Boot wird von einem Moment zum anderen zur Yacht, ohne dass man
erfährt, welche Eigenschaften es zur Yacht machen. Sarghenta beschreiben die
Autoren als betagte Dame mit silbergrauen Haaren, die im nächsten Augenblick
unvermittelt weiß sind. "Ungenaue Worte sind Absonderungen eines
ungenauen Verstandes", sagt Meister Vallon - doch was ist ein ungenauer
Verstand?
Im mittleren Teil der Handlung, während Bryns einzelner Ausbildungsabschnitte
haben die Autoren deutlich Probleme, Figuren, Schauplätze, Landschaften und
Naturereignisse anschaulich zu beschreiben. Die detailreiche Beschreibung
phantastischer Artefakte und Zauber gehört nicht zu den Stärken der jungen
Autoren. Missionen zu Pferd, auf dem Kamelrücken, durch Wälder, Wüsten und
vereiste Berglandschaften absolvieren die Gefährten und ihre Verbündeten in
den beiden ersten Dritteln des Buches, ohne sich für die wechselnden
Anforderungen auszurüsten und Proviant zu beschaffen. Die Leser erhalten selten
Einblick in die Gedankenwelt und Motive der Nebenfiguren und finden außer mit
der Hauptfigur Bryn kaum Identifikationsmöglichkeiten. Den Guptara-Brüdern
fällt es schwer, außer der jungen Generation in Bryns Alter und den beiden
betagten Damen Rosmerte Bellyset und Sarghenta andere Erwachsene zu
charakterisieren. Wer nicht jung oder betagt-weißhaarig ist, bleibt in Calaspia
konturlos. Die schmächtige Waffenmeisterin Tamasan, woher kommt sie und was
brachte sie auf ihren verantwortungsvollen Posten, fragt man sich. Die
Übernahme von Errungenschaften der Neuzeit wie Backpulver, Brot aus
Weizenauszugsmehl, Puzzles, Sit-ups und die Kenntnis des Adrenalins in eine
Epoche der Pferdekutschen und des Schwertkampfes wirkt unreflektiert.
Wie schon im ersten Band wird der politische, gesellschaftliche und religiöse
Hintergrund der Gesellschaft Calaspias nur kurz theoretisch gestreift. Wir
treffen keine konkreten Personen, die uns die kritisierten gesellschaftlichen
Veränderungen (z. B. dass man dem Geld zuviel Bedeutung zuschreibt) miterleben
lassen, es wird lediglich darüber berichtet. "Wir erleben den Niedergang
der Gesellschaft" - worin erleben wir ihn? Interessen unbekannter Mächte,
die diffuse Bedrohung durch äußere Feinde, Begriffe wie Tyrannei und
Inquisition bleiben abstrakt und schwer nachvollziehbar.
Ein deutlich geschliffenerer Stil und anschaulichere Beschreibungen lassen die
Spannung auf den letzten 250 Seiten des Buches stark anziehen. Die Schilderungen
werden detailreicher, die Personen liebevoller gezeichnet, die Logik der
Handlung ist nachvollziehbarer und die Sprache ausdrucksstärker als in den
Anfangskapiteln. Bryn kehrt von seinen Lehr- und Wanderjahren zurück zu seiner
Familie in die vertraute Umgebung seines Heimatorts. Auch die Autoren befinden
sich nun anscheinend wieder auf einem vertrauten, von Menschen bewohnten Gebiet,
dessen Beschreibung ihnen leichter fällt als die der Welt der Zitadellen und
vereisten Bergwelten.