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Beate Teresa Hanika: Rotkäppchen muss weinen

Rotkäppchen muss weinen

von Beate Teresa Hanika
Verlag: S. Fischer [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Jugendroman
ISBN-13 978-3-596-85336-6

Preis: 1,33 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Im vergangenen Sommer hatten Malvina und ihre Freundin Lizzy es sich in der unbewohnten Villa mit einer alten Matratze gemütlich gemacht. Hier konnten die Mädchen sich ungestört unterhalten und im Gebälk herumklettern. An die bevorstehende Pubertät hatte die abenteuerlustige Zwei-Personen-Mädchenbande noch keinen Gedanken verschwendet. In einer Neubausiedlung gibt es wenig Gelegenheit für Abenteuer und so beanspruchte auch eine Gruppe älterer Jungen die Villa als Treffpunkt für sich. Dem Anführer, genannt Klatsche, hatte Malvina im Streit um die Villa damals entschlossen eins auf die Nase gehauen, um die Jungen zu vertreiben.

Malvina hat Osterferien, doch in diesem Jahr scheint es keine Abenteuer in der Villa mehr für sie zu geben. Nachdem Malvinas Oma gestorben ist, muss sich jemand aus der Familie um den allein lebenden Großvater kümmern. Malvina wird das Rotkäppchen mit dem Fahrrad sein, das Opa jeden Tag Essen und manchmal eine Flasche Wein bringt. Malvinas Mutter leidet unter Migräne und hat sich aus dem Familienleben völlig zurückgezogen, die älteren Geschwister gehen schon ihre eigenen Wege und Malvinas Vater löst Probleme damit, dass er ein paar kurze Anweisungen gibt. So bleibt in diesen Osterferien die Sorge für den schwierigen Großvater an Malvina hängen. Beim letzten Besuch hatte Opa anzüglich gefragt, ob seine Lieblingsenkelin schon einen Freund habe, er hatte Malvina auf den Mund geküsst und sie umarmt. Malvina schämt sich furchtbar und ist überzeugt, dass sie etwas so ungeheuer Peinliches niemandem erzählen kann. Sie wünscht sich, sie könnte sich solange unter einer Bettdecke verstecken, bis der Großvater endlich tot ist.

Wenn Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt werden, wundern sich viele Menschen, wie Grenzüberschreitungen von Erwachsenen so lange unentdeckt bleiben konnten - und jeder fragt sich, warum das Opfer sich niemandem anvertrauen konnte. Malvina drückt schon zu Beginn der Handlung deutlich aus, dass sie nicht mehr allein zu ihrem Opa gehen möchte, doch ihre Eltern und ihre Geschwister hören nur, was sie gern hören möchten. Malvina steht stellvertretend für Opfer, die die Tat verschweigen, weil sie glauben, jemanden anderen schützen zu müssen: hier sind es die kranke Mutter und das Ansehen der geliebten verstorbenen Oma. Malvina sucht die Schuld bei sich, sie ist überzeugt, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Lizzy ist in den Osterferien verreist und kann Malvina keinen Rückhalt geben. Doch da ist noch Klatsche, der Malvina für die schlimmste Zicke hält, der er je begegnet ist, und der diese Zicke trotz allem super nett findet. Klatsche ahnt, dass Malvina nicht nur zickig ist - da muss noch etwas sein. Kann man so eine wie mich überhaupt lieben? fragt sie sich unterdessen Malvina. Sie kann Klatsches Zuneigung noch nicht annehmen; denn sie ist damit beschäftigt, im Fotoalbum ihrer Erinnerungen zu blättern. Als unerwartete Hilfe für Malvina erweist sich Frau Bitschek, die polnische Nachbarin des Großvaters. Frau Bitschek, wegen ihrer fünf Kinder von der Nachbarschaft misstrauisch beäugt, war auch einmal 13 Jahre alt und kann sich noch sehr eindringlich an ein Mädchen erinnern, das immer genau so blass und wortkarg wirkte wie Malvina. Schließlich kann Malvina sich von ihren schlimmen Erlebnissen und Erinnerungen, jenen die man niemandem zumuten kann, befreien. Lizzy spricht aus, was auch die Leser fühlen werden: "Wie konnte es passieren, dass ich nichts bemerkt habe, ich bin doch deine Freundin."
Fazit
Beate Teresa Hanika hat mit großem Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt junger Mädchen eine Malvina zwischen Kindheit und Pubertät geschaffen. Aus der Perspektive der zunächst noch sehr kindlich wirkenden Malvina wird man in eine Handlung mit mehreren Zeitebenen gezogen, die geschickt Malvinas Unterstützer Lizzy, Klatsche und Frau Bitschek einbindet. Die Autorin fesselt mit der glaubwürdigen Darstellung einer Familie, die sexuellen Missbrauch nach außen deckt, und versöhnt am Ende mit einer starken Malvina, die optimistisch in ihre Zukunft blicken kann.
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 12. Februar 2009

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