Im vergangenen Sommer hatten Malvina und ihre Freundin Lizzy es sich in der
unbewohnten Villa mit einer alten Matratze gemütlich gemacht. Hier konnten die
Mädchen sich ungestört unterhalten und im Gebälk herumklettern. An die
bevorstehende Pubertät hatte die abenteuerlustige Zwei-Personen-Mädchenbande
noch keinen Gedanken verschwendet. In einer Neubausiedlung gibt es wenig
Gelegenheit für Abenteuer und so beanspruchte auch eine Gruppe älterer Jungen
die Villa als Treffpunkt für sich. Dem Anführer, genannt Klatsche, hatte
Malvina im Streit um die Villa damals entschlossen eins auf die Nase gehauen, um
die Jungen zu vertreiben.
Malvina hat Osterferien, doch in diesem Jahr scheint es keine Abenteuer in der
Villa mehr für sie zu geben. Nachdem Malvinas Oma gestorben ist, muss sich
jemand aus der Familie um den allein lebenden Großvater kümmern. Malvina wird
das Rotkäppchen mit dem Fahrrad sein, das Opa jeden Tag Essen und manchmal eine
Flasche Wein bringt. Malvinas Mutter leidet unter Migräne und hat sich aus dem
Familienleben völlig zurückgezogen, die älteren Geschwister gehen schon ihre
eigenen Wege und Malvinas Vater löst Probleme damit, dass er ein paar kurze
Anweisungen gibt. So bleibt in diesen Osterferien die Sorge für den schwierigen
Großvater an Malvina hängen. Beim letzten Besuch hatte Opa anzüglich gefragt,
ob seine Lieblingsenkelin schon einen Freund habe, er hatte Malvina auf den Mund
geküsst und sie umarmt. Malvina schämt sich furchtbar und ist überzeugt, dass
sie etwas so ungeheuer Peinliches niemandem erzählen kann. Sie wünscht sich,
sie könnte sich solange unter einer Bettdecke verstecken, bis der Großvater
endlich tot ist.
Wenn Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt werden, wundern sich viele
Menschen, wie Grenzüberschreitungen von Erwachsenen so lange unentdeckt bleiben
konnten - und jeder fragt sich, warum das Opfer sich niemandem anvertrauen
konnte. Malvina drückt schon zu Beginn der Handlung deutlich aus, dass sie
nicht mehr allein zu ihrem Opa gehen möchte, doch ihre Eltern und ihre
Geschwister hören nur, was sie gern hören möchten. Malvina steht
stellvertretend für Opfer, die die Tat verschweigen, weil sie glauben,
jemanden anderen schützen zu müssen: hier sind es die kranke Mutter und das
Ansehen der geliebten verstorbenen Oma. Malvina sucht die Schuld bei sich, sie
ist überzeugt, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Lizzy ist in den Osterferien
verreist und kann Malvina keinen Rückhalt geben. Doch da ist noch Klatsche, der
Malvina für die schlimmste Zicke hält, der er je begegnet ist, und der diese
Zicke trotz allem super nett findet. Klatsche ahnt, dass Malvina nicht nur
zickig ist - da muss noch etwas sein. Kann man so eine wie mich überhaupt
lieben? fragt sie sich unterdessen Malvina. Sie kann Klatsches Zuneigung noch
nicht annehmen; denn sie ist damit beschäftigt, im Fotoalbum ihrer Erinnerungen
zu blättern. Als unerwartete Hilfe für Malvina erweist sich Frau Bitschek, die
polnische Nachbarin des Großvaters. Frau Bitschek, wegen ihrer fünf Kinder
von der Nachbarschaft misstrauisch beäugt, war auch einmal 13 Jahre alt und
kann sich noch sehr eindringlich an ein Mädchen erinnern, das immer genau so
blass und wortkarg wirkte wie Malvina. Schließlich kann Malvina sich von ihren
schlimmen Erlebnissen und Erinnerungen, jenen die man niemandem zumuten kann,
befreien. Lizzy spricht aus, was auch die Leser fühlen werden: "Wie konnte
es passieren, dass ich nichts bemerkt habe, ich bin doch deine Freundin."
Fazit
Beate Teresa Hanika hat mit großem Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt
junger Mädchen eine Malvina zwischen Kindheit und Pubertät geschaffen. Aus der
Perspektive der zunächst noch sehr kindlich wirkenden Malvina wird man in eine
Handlung mit mehreren Zeitebenen gezogen, die geschickt Malvinas Unterstützer
Lizzy, Klatsche und Frau Bitschek einbindet. Die Autorin fesselt mit der
glaubwürdigen Darstellung einer Familie, die sexuellen Missbrauch nach außen
deckt, und versöhnt am Ende mit einer starken Malvina, die optimistisch in ihre
Zukunft blicken kann.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 12. Februar 2009 2009-02-12 09:33:41