Zum 200. Mal jährt sich im Februar 2009 der Geburtstag des Mannes, den die
Amerikaner - nach Meinungsumfragen - als ihren größten Präsidenten
betrachten. Außerdem wurde im Januar 2009 mit Obama der Mann in Washington
vereidigt, der erklärtermaßen in Abraham Lincoln sein großes Vorbild sieht.
Der unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Abraham Lincoln wurde im Jahre
1860 zum Präsidenten der USA gewählt. Zu jener Zeit herrschte im Süden der
USA Sklaverei. Dies lag vor allem an der dort verbreiteten Plantagenwirtschaft.
Bis 1860 stieg ihre Zahl auf über ein Drittel der südlichen Gesamtbevölkerung
an. Die meisten Sklaven waren als Landarbeiter tätig, davon der größte Teil
in der Baumwollindustrie, dessen Exporte unter anderem nach Europa, etwa nach
Großbritannien, ausgeführt wurden. Um 1800 begann sich ein schärferer
Gegensatz zwischen Nord- und Südstaaten herauszubilden. Die Wirtschaft des
Nordens beruhte auf freier Arbeit, seine Industrialisierung schritt deutlich
schneller fort als im agrarisch geprägten Süden. Ein gewaltsamer Konflikt
zwischen beiden Wirtschaftsformen konnte 1820 im sogenannten Missouri Kompromiss
gefunden werden. Er besagte, dass das Gleichgewicht zwischen Sklavenstaaten und
freien Staaten gewahrt werden müsse, und damit auch das politische
Gleichgewicht in der gemeinsamen Union. Südlich einre Trennlinie - der so
genannten Mason-Dixon-Linie - sollte Sklavenhaltung erlaubt sein, nördlich
davon nicht - mit Ausnahme des Staates Missouri, in welchem Skalverei erlaubt
bleiben sollte, obwohl er sich nördlich dieser Linie befand. Um 1830
radikalisierte sich die sogenannte Abolitionisten-Bewegung, die sich für die
Beseitigung der Sklaverei einsetzte. Zur weiteren Popularisierung des
Anti-Sklaverei-Gedankens trug der 1852 erschienene Roman "Onkel Toms
Hütte" von Harriet Beecher-Stove bei. Der schwelende Konflikt wurde 1854
durch die Aufhebung des Missouri-Kompromisses durch den sogenannten
Kansas-Nebraska-Akt weiter aufgeheizt werden. Danach konnten in den westlichen
Territorien die Einwohner der neu entstehenden Staaten eigenständig und frei
darüber entscheiden, ob sie Sklaven halten wollten oder nicht. Die Reaktion im
Norden blieb nicht aus. Es bildete sich im gleichen Jahr die Republikanische
Partei, zu deren Spitzenkandidaten Lincoln ausgerufen wurde. Seine Gegner
konnten sich nicht auf einen einheitlichen Kandidaten bei den
Präsidentschaftswahlen 1860 einigen und so gewann Lincoln die Wahl. Daraufhin
verließ South Carolina die Union, obwohl das republikanische Wahlprogramm
erklärt hatte, die Sklaverei in den Gebieten, in denen sie bereits bestand,
unangetastet zu lassen und damit die Souveränität der Einzelstaaten zu
respektieren. Lincoln selbst war also keineswegs ein Verfechter des sofortigen
Ausstiegs aus der Sklaverei. Doch hatte er sich stets gegen die Ausweitung der
Sklaverei gewandt. Er hielt sie für unvereinbar mit den Idealen der
Gründungsväter der USA.
Bis zum Juni 1861 schlossen sich mit Ausnahme einiger "Grenzstaaten"
zum Norden hin alle weiteren Südstaaten dem Schritt South Carolinas an und
gründeten die Confederated States of America (CSA). Am 4. März 1861 hielt
Lincoln seine Inaugurationsrede. In ihr versicherte er, in den Staaten, in denen
das System der Sklaverei bereits bestand, nicht eingreifen zu wollen. Dazu sei
er von der Verfassung her nicht berechtigt. Linconl ging es in dieser Phase des
Konfliktes ausschließlich um den Erhalt der Union. Am 12. April 1861 brach der
Bürgerkrieg mit der Beschießung des Bundesforts Sumter bei Charleston durch
die Regierung von South Carolina aus. Beide Kriegsparteien führten den Kampf im
Namen der Freiheit. Es handelte sich zunächst weniger um eine
Auseinandersetzung um die Sklaverei als um das Aufeinanderprallen zweier
Freiheitsverständnisse, die miteinander unvereinbar waren. Für den Süden ging
es um den Kampf gegen den Versuch des Nordens, dem Süden sein politisches und
ökonomisches System aufzuzwingen. Der Süden kämpfte für das Recht auf
Selbstverwaltung, ökonomische Sicherheit und die Sicherheit des Eigentums, für
die Sklaven gehalten wurden. Für den Norden hingegen verkörperte die
einheitliche amerikanische Nation das System der Freiheit. Deshalb galt es, die
"Union" um jeden Preis zu erhalten. Freiheit wurde hier nicht als
individuelles Recht verstanden, sondern als Gemeinschaftsaufgabe einer freien
Nation.
Lincoln erkannte, dass es zur Legitimierung des grausamen Bürgerkrieges nicht
ausreichte, die Union zu erhalten bzw. Nord- und Südstaaten gewaltsam
"wiederzuvereinigen." Um Unterstützung für sein diesbezügliches
Anliegen zu erhalten, unterzeichnete er am 1. Januar 1863 die sogenannte
Emancipation Proclamation und gab seinem Kriegsziel ein übergeordnetes
"ideologisches" Motiv: das Motiv der Befreiung der Sklaven. Damit
veränderte sich auch die Motivation der nördlichen Soldaten, die nun für eine
Union kämpften, deren Freiheit erhalten werden musste. Dafür war die
Zerschlagung der Skalverei notwendig. Die Identifikation der Nation mit dem
Freiheitsgedanken führte zu einer Neubelebung des Nationalismus. Nationale
Einheit und der Kampf für universle Rechte waren nun eng miteinander verbunden.
Die Niederlage der konföderierten Truppen bei Gettysburg in Pennsylvania im
Juli 1863 markierte den Beginn der Niederlage des Südens und beendete zugleich
dessen Hoffnungen auf ein europäisches Eingreifen in den Krieg. Anlässlich der
Eröffnung des nationalen Soldatenfriedhofs in Gettysburg hielt Lincoln am 19.
November 1863 eine kurze Ansprache. Ganz offensichtlich sah Lincoln in der
offiziellen Beendigung der Schlacht am 4. Juli 1863, dem Jahrestag der
amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, ein Symbol. Deshalb verwies er in
seiner berühmt gewordenen "Gettysburg Adress" auf die amerikansichen
Gründungsväter; sie hatten eine Nation geschaffen, die auf Freiheit und
Gleichheit basierte. Den "Bürgerkrieg" bezeichnete Lincoln als
Belastungsprobe für die Überlebensfähigkeit der Grundprinzipien der
amerikanischen Demokratie. Die Gefallenen hatten nach Lincoln für die
Weiterexistenz der Nation ihr Leben geopfert und damit die Erde bei Gettysburg
"geweiht und heiligt." Lincoln hoffte für die Union auf eine
"neue Geburt in Freiheit" als Folge des Krieges.
Lincoln genoß spätestens seit dieser Rede, die religiöses und säkulares
Freizheitsverständnis miteinander verband, enormes öffentliches Ansehen und
war als Präsident einer "freien Republik" zu einem Freiheitssymbol
geworden. 1864 erneut zum Präsidenten gewählt, erlebte er die Niederlage des
Südens und die Beendigung des Krieges mit. Der Süden hatten den Krieg nicht
nur aufgrund seiner materiellen Unterlegenheit gegenüber dem industrialisierten
Norden verloren, sondern auch deshalb, weil sich sein Anliegen als moralisch zu
schweach erwiesen hatte. Das Freiheitsverständnis des Nordens, welche Freiheit
im Sinne der Gründerväter als universales Prinzip proklamiert hatte, hatte sih
letztlich durchgesetzt. Doch die Erbitterung des geschlagenen Südens kannte
keine Grenzen. Zwar hatte Lincoln in seiner zweiten Inaugurationsansprache am 4.
März 1865 zu Versöhnung und Frieden aufgerufen, doch erbitterte Rassisten aus
den Südstaaten schworen Rache. Am 11. April 1865 hielt Lincoln anlässlich der
grossen Freiedensfeier vor dem Weißen Haus seine letzte Ansprache. Er schlug
keine triumphalen Töne an, sondern beleuchtete zukunftsgerichtet seine
Vorstellungen zur Wiedervereinigung der Union. Zum ersten Mal ließ er in dieser
Rede durchblicken, dass er der Forderung aus seiner Partei, das allgemeine
Wahlrecht auf die befreiten Sklaven einzuführen, aufgeschlossen
gegenüberstand. Zwar plädierte er in seiner Rede lediglich für ein
selektives Wahlrecht für die "sehr intelligenten" unter ihnen und
für diejenigen, welche Wehrdienst geleistet hätten. Doch schon dieses
Zugeständnis an die radikale Fraktion der Abolitionisten in seiner
republikanischen Partei bedeutete sein Todesurteil: unter den Zuhörern seiner
Rede befand sich der fanatische südstaatliche Schauspieler John Wilkes Booth,
der an dieser Stelle seinem Nebenmann zumurmelte: "Das bedeutet
Nigger-Bürgerrecht. Das ist die letzte Rede, die er je gehalten haben
wird." Vier Tage später ermordete Booth Lincoln im Ford`s Theater in
Washington. Einer der größten Präsidenten Amerikas war tot.
Den - beeindruckenden - Lebensweg dieses Mannes beschreibt Ronald D. Gerste,
Historiker, Arzt und Amerika-Fachmann, sehr packend in seiner bewegenden
Biographie, die den Menschen Lincoln beleuchtet. Wer diese Biographie gelesen
hat, weiß viel über den Menschen Lincoln, seine Motive und sein Wirken. Die
Biographie sieht Lincoln sehr positiv und zeichnet ein enthusiastisches Bild des
16. Präsidenten der USA. Kritische Aspekte, wie die Aufhebung der
Habeas-Corpus-Akte durch Lincoln sieht er als kriegsbedingte Notwendigkeit an.
Scharf distanziert er sich von Lebensbeschreibungen Lincolns, wie sie der
amerikanische Romancier Gore Vidal gezeichnet hat. Gerste gehört jenem Zweig
der Geschichtswissenschaft an, der der Rolle der Persönlichkeit in der
Geschichte großen Platz enräumt. Ausdrücklich kritisiert er den sogenannten
backlash, das Zurückschwingen des Pendels zugunsten einer überkritischen
Haltung gegenüber "großen Persönlichkeiten" im späten 20.
Jahrhundert.
Zum 200. Mal jährt sich im Februar 2009 der Geburtstag des Mannes, den die
Amerikaner - nach Meinungsumfragen - als ihren größten Präsidenten
betrachten. Außerdem wurde im Januar 2009 mit Obama der Mann in Washington
vereidigt, der erklärtermaßen in Abraham Lincoln sein großes Vorbild sieht.
Der unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Abraham Lincoln wurde im Jahre
1860 zum Präsidenten der USA gewählt. Zu jener Zeit herrschte im Süden der
USA Sklaverei. Dies lag vor allem an der dort verbreiteten Plantagenwirtschaft.
Bis 1860 stieg ihre Zahl auf über ein Drittel der südlichen Gesamtbevölkerung
an. Die meisten Sklaven waren als Landarbeiter tätig, davon der größte Teil
in der Baumwollindustrie, dessen Exporte unter anderem nach Europa, etwa nach
Großbritannien, ausgeführt wurden. Um 1800 begann sich ein schärferer
Gegensatz zwischen Nord- und Südstaaten herauszubilden. Die Wirtschaft des
Nordens beruhte auf freier Arbeit, seine Industrialisierung schritt deutlich
schneller fort als im agrarisch geprägten Süden. Ein gewaltsamer Konflikt
zwischen beiden Wirtschaftsformen konnte 1820 im sogenannten Missouri Kompromiss
gefunden werden. Er besagte, dass das Gleichgewicht zwischen Sklavenstaaten und
freien Staaten gewahrt werden müsse, und damit auch das politische
Gleichgewicht in der gemeinsamen Union. Südlich einre Trennlinie - der so
genannten Mason-Dixon-Linie - sollte Sklavenhaltung erlaubt sein, nördlich
davon nicht - mit Ausnahme des Staates Missouri, in welchem Skalverei erlaubt
bleiben sollte, obwohl er sich nördlich dieser Linie befand. Um 1830
radikalisierte sich die sogenannte Abolitionisten-Bewegung, die sich für die
Beseitigung der Sklaverei einsetzte. Zur weiteren Popularisierung des
Anti-Sklaverei-Gedankens trug der 1852 erschienene Roman "Onkel Toms
Hütte" von Harriet Beecher-Stove bei. Der schwelende Konflikt wurde 1854
durch die Aufhebung des Missouri-Kompromisses durch den sogenannten
Kansas-Nebraska-Akt weiter aufgeheizt werden. Danach konnten in den westlichen
Territorien die Einwohner der neu entstehenden Staaten eigenständig und frei
darüber entscheiden, ob sie Sklaven halten wollten oder nicht. Die Reaktion im
Norden blieb nicht aus. Es bildete sich im gleichen Jahr die Republikanische
Partei, zu deren Spitzenkandidaten Lincoln ausgerufen wurde. Seine Gegner
konnten sich nicht auf einen einheitlichen Kandidaten bei den
Präsidentschaftswahlen 1860 einigen und so gewann Lincoln die Wahl. Daraufhin
verließ South Carolina die Union, obwohl das republikanische Wahlprogramm
erklärt hatte, die Sklaverei in den Gebieten, in denen sie bereits bestand,
unangetastet zu lassen und damit die Souveränität der Einzelstaaten zu
respektieren. Lincoln selbst war also keineswegs ein Verfechter des sofortigen
Ausstiegs aus der Sklaverei. Doch hatte er sich stets gegen die Ausweitung der
Sklaverei gewandt. Er hielt sie für unvereinbar mit den Idealen der
Gründungsväter der USA.
Bis zum Juni 1861 schlossen sich mit Ausnahme einiger "Grenzstaaten"
zum Norden hin alle weiteren Südstaaten dem Schritt South Carolinas an und
gründeten die Confederated States of America (CSA). Am 4. März 1861 hielt
Lincoln seine Inaugurationsrede. In ihr versicherte er, in den Staaten, in denen
das System der Sklaverei bereits bestand, nicht eingreifen zu wollen. Dazu sei
er von der Verfassung her nicht berechtigt. Linconl ging es in dieser Phase des
Konfliktes ausschließlich um den Erhalt der Union. Am 12. April 1861 brach der
Bürgerkrieg mit der Beschießung des Bundesforts Sumter bei Charleston durch
die Regierung von South Carolina aus. Beide Kriegsparteien führten den Kampf im
Namen der Freiheit. Es handelte sich zunächst weniger um eine
Auseinandersetzung um die Sklaverei als um das Aufeinanderprallen zweier
Freiheitsverständnisse, die miteinander unvereinbar waren. Für den Süden ging
es um den Kampf gegen den Versuch des Nordens, dem Süden sein politisches und
ökonomisches System aufzuzwingen. Der Süden kämpfte für das Recht auf
Selbstverwaltung, ökonomische Sicherheit und die Sicherheit des Eigentums, für
die Sklaven gehalten wurden. Für den Norden hingegen verkörperte die
einheitliche amerikanische Nation das System der Freiheit. Deshalb galt es, die
"Union" um jeden Preis zu erhalten. Freiheit wurde hier nicht als
individuelles Recht verstanden, sondern als Gemeinschaftsaufgabe einer freien
Nation.
Lincoln erkannte, dass es zur Legitimierung des grausamen Bürgerkrieges nicht
ausreichte, die Union zu erhalten bzw. Nord- und Südstaaten gewaltsam
"wiederzuvereinigen." Um Unterstützung für sein diesbezügliches
Anliegen zu erhalten, unterzeichnete er am 1. Januar 1863 die sogenannte
Emancipation Proclamation und gab seinem Kriegsziel ein übergeordnetes
"ideologisches" Motiv: das Motiv der Befreiung der Sklaven. Damit
veränderte sich auch die Motivation der nördlichen Soldaten, die nun für eine
Union kämpften, deren Freiheit erhalten werden musste. Dafür war die
Zerschlagung der Skalverei notwendig. Die Identifikation der Nation mit dem
Freiheitsgedanken führte zu einer Neubelebung des Nationalismus. Nationale
Einheit und der Kampf für universle Rechte waren nun eng miteinander verbunden.
Die Niederlage der konföderierten Truppen bei Gettysburg in Pennsylvania im
Juli 1863 markierte den Beginn der Niederlage des Südens und beendete zugleich
dessen Hoffnungen auf ein europäisches Eingreifen in den Krieg. Anlässlich der
Eröffnung des nationalen Soldatenfriedhofs in Gettysburg hielt Lincoln am 19.
November 1863 eine kurze Ansprache. Ganz offensichtlich sah Lincoln in der
offiziellen Beendigung der Schlacht am 4. Juli 1863, dem Jahrestag der
amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, ein Symbol. Deshalb verwies er in
seiner berühmt gewordenen "Gettysburg Adress" auf die amerikansichen
Gründungsväter; sie hatten eine Nation geschaffen, die auf Freiheit und
Gleichheit basierte. Den "Bürgerkrieg" bezeichnete Lincoln als
Belastungsprobe für die Überlebensfähigkeit der Grundprinzipien der
amerikanischen Demokratie. Die Gefallenen hatten nach Lincoln für die
Weiterexistenz der Nation ihr Leben geopfert und damit die Erde bei Gettysburg
"geweiht und heiligt." Lincoln hoffte für die Union auf eine
"neue Geburt in Freiheit" als Folge des Krieges.
Lincoln genoß spätestens seit dieser Rede, die religiöses und säkulares
Freizheitsverständnis miteinander verband, enormes öffentliches Ansehen und
war als Präsident einer "freien Republik" zu einem Freiheitssymbol
geworden. 1864 erneut zum Präsidenten gewählt, erlebte er die Niederlage des
Südens und die Beendigung des Krieges mit. Der Süden hatten den Krieg nicht
nur aufgrund seiner materiellen Unterlegenheit gegenüber dem industrialisierten
Norden verloren, sondern auch deshalb, weil sich sein Anliegen als moralisch zu
schweach erwiesen hatte. Das Freiheitsverständnis des Nordens, welche Freiheit
im Sinne der Gründerväter als universales Prinzip proklamiert hatte, hatte sih
letztlich durchgesetzt. Doch die Erbitterung des geschlagenen Südens kannte
keine Grenzen. Zwar hatte Lincoln in seiner zweiten Inaugurationsansprache am 4.
März 1865 zu Versöhnung und Frieden aufgerufen, doch erbitterte Rassisten aus
den Südstaaten schworen Rache. Am 11. April 1865 hielt Lincoln anlässlich der
grossen Freiedensfeier vor dem Weißen Haus seine letzte Ansprache. Er schlug
keine triumphalen Töne an, sondern beleuchtete zukunftsgerichtet seine
Vorstellungen zur Wiedervereinigung der Union. Zum ersten Mal ließ er in dieser
Rede durchblicken, dass er der Forderung aus seiner Partei, das allgemeine
Wahlrecht auf die befreiten Sklaven einzuführen, aufgeschlossen
gegenüberstand. Zwar plädierte er in seiner Rede lediglich für ein
selektives Wahlrecht für die "sehr intelligenten" unter ihnen und
für diejenigen, welche Wehrdienst geleistet hätten. Doch schon dieses
Zugeständnis an die radikale Fraktion der Abolitionisten in seiner
republikanischen Partei bedeutete sein Todesurteil: unter den Zuhörern seiner
Rede befand sich der fanatische südstaatliche Schauspieler John Wilkes Booth,
der an dieser Stelle seinem Nebenmann zumurmelte: "Das bedeutet
Nigger-Bürgerrecht. Das ist die letzte Rede, die er je gehalten haben
wird." Vier Tage später ermordete Booth Lincoln im Ford`s Theater in
Washington. Einer der größten Präsidenten Amerikas war tot.
Den - beeindruckenden - Lebensweg dieses Mannes beschreibt Ronald D. Gerste,
Historiker, Arzt und Amerika-Fachmann, sehr packend in seiner bewegenden
Biographie, die den Menschen Lincoln beleuchtet. Wer diese Biographie gelesen
hat, weiß viel über den Menschen Lincoln, seine Motive und sein Wirken. Die
Biographie sieht Lincoln sehr positiv und zeichnet ein enthusiastisches Bild des
16. Präsidenten der USA. Kritische Aspekte, wie die Aufhebung der
Habeas-Corpus-Akte durch Lincoln sieht er als kriegsbedingte Notwendigkeit an.
Scharf distanziert er sich von Lebensbeschreibungen Lincolns, wie sie der
amerikanische Romancier Gore Vidal gezeichnet hat. Gerste gehört jenem Zweig
der Geschichtswissenschaft an, der der Rolle der Persönlichkeit in der
Geschichte großen Platz enräumt. Ausdrücklich kritisiert er den sogenannten
backlash, das Zurückschwingen des Pendels zugunsten einer überkritischen
Haltung gegenüber "großen Persönlichkeiten" im späten 20.
Jahrhundert.
Fazit
Wenn man diese Haltung akzeptiert, dann hat man eine packende und lesenswerte
Biographie Lincolns vor sich, die die enorme Belesenheit des Autors -
dokumentiert durch ein sorgfältig recherchiertes Literaturverzeichnis,
zahlreiche Fußnoten, eine Zeittafel des Lebens Lincolns sowie einen Stammbaum -
dokumentiert. Um es gleich zu sagen. An die - umfangreichere - Biographie von
Jörg Nagler kommt diese Lebensbeschreibung an Qualität und Umfang nicht heran.
Doch während sich die um 200 Seiten längere Biographie Naglers
wissenschaftlichen Anspruch erhebt, ist Gerstes Lebensbeschreibung stärker an
Laien gerichtet, die zwar gut informiert, aber ohne explizit wissenschaftlichem
Forschungsanspruch über Lincoln und Amerika zur Zeit des Bürgerkrieges
informiert werden wollen. Für diese Zielgruppe ist Gerstes Werk erstklassig:
fesselnd geschrieben, spannend und voller Mitgefühl für eine große und
dennoch einsame und tragische Persönlichkeit der amerikanischen Geschichte.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 31. Januar 2009 2009-01-31 14:00:24