Der Beginn des Romans ist unspektakulär, genau wie der Handlungsträger.
Unsportlich und unscheinbar wie er ist, hat man ihn schnell wieder vergessen.
Alan Osborne ist Informationstechniker und dabei, eine künstliche Intelligenz,
umgangssprachlich KI genannt, zu entwickeln. Sein außergewöhnlicher, ja
brillanter Verstand und seine Fähigkeiten als Computergenie machen ihn
einzigartig. Allerdings ist er ein Zivilisationstrottel und kann im Umgang mit
anderen Menschen eher dämlich da stehen. Daher kann Osborne gerade noch so
seinen Rauswurf verhindern und damit auch die Schließung seiner Abteilung.
Jahre später hat er sich einen guten Ruf erarbeitet und eine KI fertig
gestellt. Der Durchbruch scheint geschafft. Er ist einer jener unscheinbaren
Menschen, die mit ihren Ideen und ihrer Arbeit das Antlitz der Welt verändern
könnten. Sie soll auf einer IT-Messe in Paris vorgestellt werden. Dummerweise
fällt das Programm aus. Alan Osborne soll sofort nach Frankreich fliegen und
sein Programm zum Laufen bringen, in vierundzwanzig Stunden ist eine
Pressekonferenz angesetzt.
Alan Osborne muss nach Paris über den John F. Kennedy Flughafen mit dem
Transatlantikflug direkt nach Orly. Wegen Verspätung sitzt er auf dem
Flughafen, vor allem der Toilette, fest. Ein Kampf mit einer Kakerlake rettet
ihm das Leben, als ein anderer Mann in der Toilette umgebracht wird. Völlig
verstört und unter Verfolgungswahn leidend gelangt er an Bord des Flugzeugs und
unbeschadet nach Paris. Der Anfang der Erzählung ist nur der Auftakt einer
spannungsgeladenen Geschichte. Und wenn Alan Osborne gewusst hätte, was ihn
erwartet. Er hätte sich in seinem New Yorker Büro verbarrikadiert.
In Paris trifft er im Hotel seine Kakerlake wieder. Am nächsten Morgen
verschläft er und kommt zu spät zur IT-Messe. Nachdem er sein eigenes Programm
nicht unter Kontrolle bekommt, wird er von der Niederlassungsleiterin
geschasst.
Dennoch sucht ihn die Niederlassungsleiterin auf nur um ihm mitzuteilen, dass
er keinen Fehler gemacht hat, sondern dass ein Sabotageakt dahinter steckt.
Osborne kann Francoise Fabian überreden ihn mit zu einem Treffen mit ihrer
Informantin zu nehmen. Es stellt sich nicht nur heraus, dass er die Informantin
bereits kannte, sondern sie mit einer Hexe eine Wohnung teilt. Zudem war sie
diejenige, die die Auftragskiller bestellte.
Der Computerspezialist gerät von einer Welt der Bits und Bytes in eine Welt
der schwarzen Magie. Eine Welt in der Hexen leben, ihn verfluchen und
Auftragskiller auf ihn hetzten. Er hält alles zuerst für Scharlatanerie, denn
ein rational denkender Verstand kann so etwas nur für Spinnerei halten. Der
Gedanke an Scharlatanerie geht jedoch schnell verloren, als er erkennt, dass die
Welt untergehen wird. Sein physikalisches Weltverständnis trifft auf alte
religiöse Untergangprophezeiungen. Nicht ganz freiwillig macht sich der Held,
der einer kleinen persönlichen Weiterentwicklung unterliegt, auf die Suche nach
dem alten Buch, das einst ein Templer mit nach Paris brachte. Er bleibt auf der
Suche nach einer Hexensippe nicht lange allein. Man hilft ihm auf der Suche nach
den Hexen, die den Abyssus, den Weltuntergang, schließlich aus seiner
Verbannung befreien. Die Untergangsprophezeiungen sind gar nicht sonderlich
weit entfernt in dem, was sie vorhersagen. Der Abyssus, Namensgeber des Buches,
tritt in der Pariser Unterwelt auf und verschlingt langsam aber sicher die Welt.
Stückchenweise löscht er jede Form der Materie aus und mit jedem Stück wird
er größer und gefräßiger. Ob man den Kampf zwischen Materie und Anti-Materie
oder von Diesseits und Jenseits bezeichnet, bleibt dabei gleich. Das Ergebnis
ist das gleiche. Ist dies der Tag des jüngsten Gerichts?
Fazit
ABYSSUS ist ein Mystery-Thriller, zumindest steht es auf dem Titel. Wer sich
jedoch die Mühe macht und das Buch liest, wird feststellen, dass es weit mehr
ist als nur ein einfacher Mystery-Thriller. Alan Osborne als Wissenschaftler
wird in eine Welt geschickt, die so anscheinend nur im alten Europa bestehen
kann. Peter Mennigen beschreibt den Wissenschaftler als einen Menschen, der sich
in das normale soziale Verhalten nicht einfügen kann. Wie geht es ihm dann
erst, wenn er sich mit der Mystik des alten Europa auseinandersetzen muss? Nur
eins ist sicher, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als er je gedacht
hat. ABYSSUS kommt in den ersten Kapiteln daher wie der Mystery-Thriller eines
Dan Brown, der Leser gelangt aber schnell zur Einsicht, dass es besser ist. Es
ist ein ungewöhnlicher Mix aus einem dramatischen Wissenschaftsthriller, eines
spannenden Akte-X-Romans und einigen anderen, mal ruhigeren und nachdenklicheren
Teilen. Die ungewöhnliche Mischung, die spannende Erzählweise, manchmal zu
sehr Einzelheiten verliebt und langatmig, wird jedoch nie langweilig. Andere
werden sich eine Straffung der Kapitel wünschen, manche Diskussion als
überflüssig ansehen. Ich persönlich bin der Meinung, gerade das macht den
Roman aus. Peter Mennigen erzählt gern und ausführlich und ich fand keine
Seite überflüssig.
Die Leserschaft, in meinen Augen eher eine zu kleine Leserschaft, begleitet den
Haupthelden Alan Osborne durch eine vielschichtige Erzählung, die der Autor
überraschenderweise immer wieder ändert. Unberechenbar wäre der beste
Ausdruck, denn der Ausgang der Geschichte ist nicht geradlinig vorhersehbar.
Wenn man der Meinung ist, endlich zu wissen wie der berühmte Hase läuft, dann
hat man sich gleich darauf wieder geirrt.
Es fällt mir nicht leicht die Erzählung zu beschreiben oder gar in einer
Buchbesprechung entsprechend zu würdigen. Vieles klingt verworren und mir
fällt die Aufgabe zu, etwas über die Handlung zu erzählen ohne etwas zu
verraten. Die Geschichte ist weitaus besser gegliedert als meine kurze
An-Erzählung, denn mit jedem Satz fällt mir noch etwas ein, das zu erwähnen
wäre. Seien es die unterschiedlichen Stilrichtungen, die komplexen Figuren, die
sich im Buch tummeln, Hinweise und Personen der Wirklichkeit etc. etc. etc. Auch
wenn manche Kapitel als losgelöst betrachtet werden könnten, sie finden nach
und nach zusammen. Nichts ist in der Erzählung überflüssig. Ich denke mal,
das Buch ist ein Kandidat für den nächsten Buchmessecon, wenn wieder der
Deutsche Phantastik Preis vergeben wird.
Vorgeschlagen von erik schreiber
[Profil]
veröffentlicht am 28. Januar 2009 2009-01-28 07:18:21