Der Name Caligula steht im allgemeinen Kanon der Altertumswissenschaften als
Inbegriff des Cäsarenwahnsinns. In jeder Biographie wird dieser Kaiser als
manisch Größenwahnsinniger dargestellt, der das gute Erbe eines Augustus (und
auch eines Tiberius) verschleudert habe. Gleichzeitig wird an ihm ein Wesenszug
festgemacht, der die weitere Betrachtung der römischen Kaiserzeit angeblich
kennzeichnen soll: Dekadenz und der Wahn, selbst ein Gott zu sein. Diese
Charakteristika werden nur von ganz wenigen (angeblich) leuchtenden Beispielen
an Tugend unterbrochen: Trajan, Hadrian, Marc Aurel und mit Abstrichen die
Severer.
Der Althistoriker Winterling stellt jedoch eine interessante These auf: Was,
wenn dieser Kaiser Caligula, der einer damnatio memoriae des Senats zum Opfer
fiel, gar nicht ein unberechenbarer Lüstling und Trottel gewesen ist, sondern
vielmehr ein zynischer Machtpolitiker? Was, wenn er einen Esel zum Konsul
bestellte, nicht aus seiner Torheit, sondern aus Berechnung, um den Senatoren
Roms zu zeigen, dass auch sie nur Marionetten waren? Denn der Princeps, der
primus inter pares, war im alten Rom nicht ein Erster unter Gleichen, sondern
der Erste des Staates und uneingeschränkter Dominus. Winterling streicht die
Rivalität des Kaisers zum Senat heraus, den er endgültig entmachten wollte.
Denn die Aristokratie Roms, die sich nach ihren (und nur ihren) Freiheiten der
Republik sehnte, war für einen Monarchen mehr als lästig. Winter
charakterisiert Caligula nicht als einen durch und durch verdorbenen
Größenwahnsinnigen, sondern als einen Realpolitker, der schließlich an den
alten Seilschaften scheiterte und von ihnen ermordet wurde.
Fazit
Ob Caligula damit rehabilitiert ist - ich für meinen (bescheidenen) Teil
bezweifle das, doch ist dieses Buch eine interessante Lektion zum Thema
Quellenkritik und der Herangehensweise in der Altertumsforschung, die mehr als
andere Geschichtsdisziplinen vom sorgfältigen Sichten der Quellen und einer
klaren Analysetechnik lebt. Gut geschrieben ist die Biographie ohnehin und somit
eine interessante und angenehme Lektüre, noch dazu wo sie so flüssig verfasst
worden ist.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 08. Mai 2003 2003-05-08 21:51:12