Die Guggenbühls sind eine Familie mit drei erwachsenen Kindern; sie besitzen
Fernseher, Videogerät, drei PCs, 2 Laptops, 6 Mobiltelefone, 6 Radios, 8
CD-Player und 2 Gamecubes. Dominique Bühler und Inge Rychener stellen jedem
Kapitel ihres Buches das Portrait einer Familie und deren Mediennutzung voran.
Jeweils ein Elternteil spricht offen über den Einfluss neuer Medien auf das
Familienleben und über Konflikte, die sich daraus in der Erziehung ergeben.
Die Interviewpartner äußern sich zu dem Medium, auf das sie selbst nur ungern
verzichten würden und schlagen so den Bogen zur Vorbildrolle der Eltern für
ihre Kinder. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Einführung eines neuen
Mediums stets Ängste geweckt hat, 1821 wurde vor der Lesesucht gewarnt, in den
50ern des 20. Jahrhunderts forderten deutsche Pädagogen, Kinder vor
Micky-Maus-Heften zu schützen und selbst die geplante Einführung der
Vorschul-Serie Sesamstraße rief damals besorgte Pädagogen auf den Plan. Auf
Sorgen, die Eltern die rasante Veränderung der Kommunikations- und
Schreibkultur bereitet, gehen Bühler/Rychener sachkundig ein. Dass Jugendliche
in Korea in einer Befragung aussagten, sie würden ohne ihr Mobiltelefon nicht
mehr leben wollen, zeigt eindringlich die Brisanz des Themas. Die Gefahr am PC
Zeit tot zu schlagen, in der man sich auch mit realen Personen hätte
beschäftigen können, sehen die befragten Eltern für sich wie für ihre
Kinder. Die Autorinnen wägen die unbestrittenen Vorteile der Welt der Wikis,
blogs und Webseiten für Jugendliche gegen die Gefahr ab, dass Kinder das
Internet gutgläubig für einen sicheren Raum halten könnten. Die finanziellen
Folgen von Lockangeboten und im Internet geschlossenen Verträgen führt das
Buch nüchtern vor Augen.
Kurz und knackig fassen die Autorinnen die Erkenntnisse Spitzers
Vorsicht Bildschirm! Elektronische
Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft über die
Auswirkungen von Fernsehbildern auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns
zusammen. Spitzer polarisiert, erklärt jedoch nachvollziehbar, wie Bilder auf
Kinder wirken. Seine Statements vermitteln das nötige Grundwissen, um die
Mediennutzung von Kleinkindern altersgerecht zu steuern. "Ein Kind, das
sich Bilder selber schafft, lässt nur diejenigen zu, die es auch verkraften
kann." bezieht deutlich Stellung zur Bedeutung von Büchern und Geschichten
für kleine Kinder in Konkurrenz zu vermeintlich "fördernden" anderen
Medienangeboten. Die Roman-Autorin Ruth Schweikert berichtet, wie ihre Kinder
lernen, Informationen aus einem unüberschaubaren Angebot auszuwählen und zu
bewerten. Die Autorinnen schaffen bei ihren Lesern Bewusstsein für die
persönliche Mediennutzung und die eigenen Schwächen. So wecken sie
Verständnis dafür, dass Kinder von der nötigen Selbstdisziplin überfordert
sein können. Zusammenhänge zwischen Aggressionen und Mediennutzung, wie auch
die Gefahr des Eintauchens in eine Scheinwelt werden sachlich dargestellt. Die
von den Medien kritisierte Internet-Sucht Jugendlicher sehen die Autorinnen
falsch definiert. Die ungezügelte Nutzung elektronischer Medien sei nicht das
Problem, sondern Symptom für ein Problem des süchtigen Nutzers, für das
Therapie nötig sei. Anhand alltäglicher Auswirkungen neuer Medien auf die
Familie wie die 24-stündige Verfügbarkeit per Mobiltelefon oder die
Beliebigkeit, mit der Verabredungen kurzfristig per SMS abgesagt werden können,
weil sich etwas vermeintlich besseres auftut, bekommen Eltern Konfliktpunkte und
Ansätze für Gespräche mit den Kindern aufgezeigt. Eltern und auch eine Gruppe
von Schülern, mit denen die Autorinnen diskutierten, betonen, wie wichtig es
ist, mit Kindern und Jugendlichen im Gespräch zu bleiben.
Fazit
Durch den Blick in die Mediennutzung unterschiedlicher Familien zu Beginn jedes
Kapitels bietet das Buch jedem Leser Anknüpfungspunkte. Die Autorinnen
informieren sachlich zu einem kontroversen Thema und schließen mit den
Grundpfeilern einer erfolgreichen Erziehung, die gerade auch für die
Medienerziehung gelten: Vorbild, Wertschätzung, gemeinsames Aushandeln von
Regeln und Konsequenz. Das schnell und leicht zu lesende Buch ist allen Eltern
empfohlen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 12. Januar 2009 2009-01-12 12:59:20