Gerade wo Menschen sich im Zuge der Leidvermeidung allem zu entziehen trachten,
was Leid bedeuten könnte, treiben sie in ein Leben hinein, ein leeres Sein, in
dem es nur noch das Gefühl der Sinnlosigkeit gibt, welches dem des Schmerzes in
nichts nachsteht. Ernst Jünger lebte in diesem Sinne; er war sich der Bedeutung
von Extremen bewußt, suchte Räume der Extreme auf, lotete sie aus, trieb mit
ihnen mittels seiner Neugierde aus jeder Konvention heraus und fasste sie in
literarische Formen. Er liebte das rauhe Element, bannte es auf Papier. Es war
für ihn die literarische und gelebte Rückkehr zu sich selbst.
Eine neue Ordnung sollte wieder den Raum für menschliche Leidenschaften bieten,
die Fülle des Lebens ermöglichen, eine Heimkehr des Menschen ermöglichen.
Jünger betonte in seinem Werk immer wieder die Fülle des Lebens im unhemmbaren
Willen der Bewegung auf ein Ziel. Es ist der z.B. blutsmäßige Zwang, der den
Kämpfer vorwärts treibt über alle Hemmungen eines entwurzelten, ausgesogenen
und tödlichen Intellektes. Es ist der Schmerz, der zu Ende gelebt werden muß
und der hinter jedem Schematismus der Sicherheit aufscheint und lächelnd
zuwinkt.
Ernst Jünger mag damit die Geister spalten. Das aber macht seine Faszination
aus. Das vorliegende Buch "Bunter Staub" ist ein jüngersches
Wörterbuch und ein Langessay in einem. Seine Beiträge unterschiedlichster
Autoren unterziehen die wichtigsten weltanschaulichen Grundbegriffe Ernst
Jüngers einer Relektüre, bieten Erklärungen und Hintergründe: Abenteuer -
Inneres Erlebnis - Waldgang - Myrdun - Verlorener Posten - Désinvolture -
Heiterkeit - Autorschaft - Schmerz - Rausch - Linie - Strahlungen - Überlegte
Partie - Flugtraum - Arbeit - Technik und Spiel - Gläserne Bienen - Posaunisten
- und andere. Der Schmerz als Kategorie bei Jünger scheint hier als Prüfpunkt
auf, um dem Gejammer einer verbürgerlichten Gesellschaft zu entkommen, die ihre
Erfüllung in hedonistischen Verstrickungen sieht und für den Ernstfall nicht
mehr gewappnet ist. Das Ziel des Lebens scheint auf als ein Aushalten der
immanenten Widersprüchlichkeiten, Immanenz und Transzendenz haben eine reife
Konstellation erfahren. Die menschliche Existenz unterliegt den Achsen der
Transzendenz, der Spiritualität des göttlichen Plans und der der
körperlichen, naturhaften und existentiellen Materialität. Der Versuch, beide
Achsen zur Deckung zu bringen führt zur Zerstörung der immanent-transzendenten
Realität unseres Lebens, zur Aufhebung der sinnvollen Entspannung zwischen den
beiden Achsen. Alle jene Gedanken fasst Jünger mit speziellen Grundbegriffen,
die hier erläutert werden.
Ernst Jüngers Texte erscheinen hier in einer neuen Optik, sie werden in
Gegenlicht getaucht und zum Tanzen gebracht. Bunter, glitzernder Staub: Rambo
auf Waldgang - Schmerz und Rausch - Reisen in den Raum der Tiefe - Das
universelle Theorie-Subjekt - Der alte Mann und das Meer. Zum Begriff
"Abenteuer" schreibt der Jünger-Biograph Heimo Schwilk. Andere
Autoren sehen Jünger einmal abseits von seiner politisch aufgeladenen
Weimarer-Zeit, betrachten sein Werk als gelebtes Abenteuer und können die
Verbannung in den Giftschrank nicht nachvollziehen. So erkennt der Leser in
dieser Fülle bunter Bilder und Erläuterungen eine Art säkularer Theologie im
Werke Jüngers, die uns zuruft, Heroismus und Désinvolture sowie das pure
Erlebnis nicht unter dem warmen Geplänkel des Medialen und der totalen
Verfügbarkeit einer müden Zeit nicht verkümmern zu lassen, sondern den
letzten Rest von kämpferischer Echtheit zuzulassen, zu leben und als immer
wieder neu dialektisch hervorgerufenen Erfahrungsraum im Leben anzuerkennen!
Fazit
Es liegt hiermit einer der originellsten Bänder über die Person Jüngers vor,
eine geballte Einführung in seine literarische Konfigurationen voller
Sprengkraft, die eine gebannte Lektüre verheißt!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 11. Januar 2009 2009-01-11 10:52:03