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Carl Schmitt: Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber

Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber

von Carl Schmitt
Verlag: Klett-Cotta Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-608-94457-0

Preis: 16,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Die Prinzipien des Staates und der Souveränität sind die Grundlage der bisher erreichten völkerrechtlichen Begrenzungen von Krieg und Feindschaft. Der Begriff des Staates setzt den des Politischen voraus. Der Staat ist für den Juristen und politischen Philosophen Carl Schmitt der politische Status eines in territorialer Geschlossenheit organisierten Volkes. Politik und Macht gehören damit auch zusammen, denn das Streben nach Macht oder nach der Beeinflussung der Machtverteilung zwischen Staaten oder Menschengruppen bezieht sich immer auf die staatliche Macht.

Die Weimarer Verhältnisse wichen für Schmitt vom Idealbild der Demokratie ab und zeigten für ihn, daß kein potenter Staat mehr vorhanden war. Sonderinteressen wirkten und das Volk existiere nur in der Sphäre der Publizität und war nicht real fassbar. Parteien seien Schein gewesen, Diskussionen erfolgten nur über präformierte Absprachen. Entscheidungen standen vor der Deklaration fest, weil Abstimmungsgruppen vorher ihre Mehrheiten prüften und wie in Hessen derzeit die Majoritäten vorab entgegen jeder Wahlkampfversprechung auf die Probe stellten. Qua Propaganda täuschten Parteien ihr Volksparteiendasein und ihre Unabhängigkeit vor. Dies alles sind Fragen und immanente Aspekte der Macht und ihres Erhaltes in der Massendemokratie.

Max Weber brauchte in der Massendemokratie den Demagogen, der die Massenstimmung organisiert. Er bindet die Massen an Ziele. Er bringt im Parlament die neuen Eliten hervor und bündelt die Macht. Das bestritt Carl Schmitt: Die neuen Führer würden von der Straße kommen. Er sollte Recht behalten: Der neue Führer kam aus den Straßen Wiens, die Führer der alten Bundesrepublik, deren Repräsentanten 2005 endgültig abtraten, kamen aus der Gosse, den Straßen Frankfurts. Letztere waren zwar keine eigentlichen Führer mehr, sondern vom System selbst reproduzierte Gestalten, die nie mehr als die Bundesrepublik erlebt haben. Dennoch gelang ihnen der Zugang zur Macht.

Schmitt stellt sich nun im vorliegenden Buch die Frage: Ist Macht gut oder böse? Die meisten Menschen werden mit größter Selbstverständlichkeit antworten: Die Macht ist gut, wenn ich sie habe, und sie ist böse wenn mein Feind sie hat. Ein Machthaber zeichnet sich in diesem Zusammenhang vor allem dadurch aus, daß er es ist, der darüber entscheidet, was ein guter oder böser Gebrauch von Macht ist. In lakonischem Stil geschrieben handelt es sich bei diesem Buch um die Form eines fiktiven Gesprächs. Sein Thema: die moderne Macht unter verwaltungstechnischen Bedingungen. Macht definierte Schmitt als "soziales Geflecht" und "eigenständige Größe". Jeder Machthaber ist, so Carl Schmitt, "auf Berichte und Informationen angewiesen und von seinen Beratern abhängig. Eine Unmenge von Tatsachen und Meldungen, Vorschlägen und Vermutungen dringt Tag für Tag und Stunde für Stunde auf ihn ein. Aus diesem flutenden, unendlichen Meer von Wahrheit und Lüge, Wirklichkeiten und Möglichkeiten kann auch der klügste und mächtigste Mensch höchstens einige Tropfen herausschöpfen."

Schmitts Denken kreist hier um Fragen der Macht, der Gewalt und der Verwirklichung des Rechts. Sein umfangreiches Werk ist schon vorher von politischen Philosophen und Staatsdenkern wie Hobbes, Machiavelli, Rousseau, Donoso Cortés, Sorel und Pareto prägend beeinflusst. Das "Gespräch über die Macht" nimmt eine herausragende Stellung durch seine nachhaltige Wirkung ein. Auch hier nimmt er mehrmals Bezug auf das Bild des Leviathan, in dem Thomas Hobbes allem religiös bestimmten Staatsdenken entgegen tritt. Weggenossen in dieser Bahn sind ihm Machiavelli, Nietzsche und Sorel. Der Leviathan sei der sterbliche Gott und ganz auf die politische Tat des Menschen gestellt, die ihn immer wieder von neuem dem Chaos eines natürlichen Zustandes abbringen muß. Alle Menschen sind in jedem Moment bedroht oder gefährdet. "So wird jede direkte Macht sofort indirekten Einflüssen unterworfen." - Resümiert Schmitt in seinem Gespräch. Je mehr sich die Macht an einer Stelle konzentriert, umso mehr verschärft sich das Problem des Korridors und die Frage des Zugangs zur Spitze. Schmitt spricht vom "Kampf um den Korridor".

Aber wer an den christlichen Gott glaubt, kann die Macht an sich nicht für böse oder neutral erklären - Gott ist ja all-mächtig. "Gott ist höchste Macht und höchstes Sein. Alle Macht ist von ihm und ist und bleibt in ihrem Wesen göttlich und gut." schreibt der Hl. Papst Gregor der Große im frühen Mittelalter. Im 19.Jahrhundert dagegen hält Jacob Burckhardt sie für böse: "Und nun zeigt sich - man denke an Ludwig XIV., an Napoleon und an die revolutionären Volksregierungen - daß die Macht an sich böse ist..." Seitdem Macht nicht mehr göttlich oder natürlich, sondern als menschliche empfunden wird, seit der Vermenschlichung der Macht, verbreitet sich nun unwiderstehlich die Überzeugung, daß die Macht an sich böse ist. Carl Schmitt aber ist überzeugt: Macht von Menschen über Menschen ist weder gut, noch böse, am wenigstens neutral. Sie ist eine eigenständige Wirklichkeit und zieht jeden, auch den Machthaber, in ihre Dialektik. (33)
Das vorliegende Handbrevier in Sachen Machtfragen erhielt in den 50er Jahren viel Resonanz. Ernst Jünger bescheinigte ihm eine gute Darstellung der Macht als "anonyme Größe". Die Journalistin Margret Boveri zeigte sich fasziniert über die Theorie des "Korridors zur Macht". Interessant ist, daß sich Schmitt im vorliegenden Gespräch nicht als weiser Sokrates geriert und keine metaphysischen Spekulationen abhält, sondern die immanente Dialektik der Macht rein deskriptiv dartut.
Fazit
Diese Neuauflage des Machtgesprächs bei Klett-Cotta ist sehr zu begrüßen und sollte als nüchterne Einführung in politische Grundfragen dienen, deren Korrektheit auch die ehemaligen Führer aus der Gosse Frankfurts nicht zu leugnen befähigt sind, da sie doch selbst einst im Sinne der Erkenntnisse Schmitts agierten.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 02. November 2008

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