Generationen von Schülern haben über seinen Werken mit Feuereifer gebrütet:
Friedrich Schiller, geboren 1759. Haben seine Werke verinnerlicht, können
Jahrzehnte später noch immer seine Balladen von der ersten bis zur letzten
Strophe fehlerfrei rezitieren, haben mit den Räubern gelebt und gelitten, waren
mit Wilhelm Tell per Du und der Jungfrau von Orleans ganz nah.
Aber: Generationen von Schülern haben sich von Schillers Werk weit entfernt. Es
fällt ihnen schwer, sich mit der Sprache des 18. Jahrhunderts anzufreunden.
Und: Was kann ein junger Mensch heute überhaupt noch von diesem großen
deutschen Dichter erwarten? Was hat er den Jugendlichen des 21. Jahrhunderts
noch zu sagen?
Einen respektvollen Versuch der Annäherung von gestern und heute startet der
Schriftsteller Peter Härtling mit dem Buch "und mich - mich ruft das
Flügeltier". "Schiller für Kinder" heißt das 91 Seiten starke
Werk im Untertitel - und es ist ein Schiller, den auch die jüngeren Leser gut
verstehen können, ohne das seine Sprache gestutzt oder passend umgeschrieben
worden wäre.
Im Schillerjahr 2005 - der Dichter starb am 9. Mai des Jahres 1805, also vor
genau 200 Jahren - ein ehrenwertes Unterfangen zur Rettung eines
Dichterfürsten. Peter Härtling hat heitere Texte Schillers ausgewählt. Und,
so schreibt er im Vorwort, es ist ihm nicht leicht gefallen.
Behutsam führt Peter Härtling den Leser von Schillers Anfängern bis zu seinen
großen Werken. Ein Gedicht zum Neujahr 1769 macht den Anfang.
"Herzgeliebte Eltern", heißt es dort. Und wer dem Pfeil im Titel
dieses Gedichtes folgt, der findet rasch auch noch eine verständliche
Erklärung auf den letzten Seiten dieses Buches: Schiller schrieb das Gedicht
bereits mit sieben Jahren. Wer hätte das gedacht?
Es geht weiter mit dem "Mädchen aus der Fremde", und hier kann sich
Peter Härtling einen Kommentar nicht verkneifen. So schreibt er in der
Anmerkung: "Manchmal passiert es selbst einem großen Dichter, dass er
nicht versteht, was er schreibt." Will sagen: "Macht euch nichts
draus, wenn ihr einmal etwas nicht versteht, ihr steht damit nicht ganz
alleine." Das macht Mut, sich auf weitere Werke Friedrich Schillers
einzulassen. Beim "Ring des Polykrates", der Ballade vom
"Taucher" oder den Auszügen aus "Wilhelm Tell" wird es
nämlich schon ein wenig schwieriger für den modernen Leser, doch auch hier
hilft Härtling weiter, kommentiert und erklärt in den Anmerkungen manchen
Begriff, der heute nicht mehr geläufig ist und im deutschen Wortschatz kaum
mehr auftaucht.
Fazit
"... und mich - mich ruft das Flügeltier" - nicht nur ein Buch für
Kinder, sondern für all diejenigen, die einen Einstieg in die klassische
deutsche Literatur suchen.
Vorgeschlagen von Martina Meier
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veröffentlicht am 10. März 2005 2005-03-10 20:24:04