Bei dem Philosophen Karl Jaspers auch bei Martin Heidegger ist das Wirken des
Werkes Nietzsches unverkennbar. Bei Jaspers geschah die Inanspruchnahme der
Schriften Nietzsches über den Begriff des Scheiterns und bei Heidegger über
den des Nihilismus. Dieser Begriff bleibt bei Heidegger zentral, denn er
versteht darunter den Nihilismus als Zeit der Seinsvergessenheit, in der sich
das Sein vor der Tiefe und der Wahrheit verschließt. Den spürbaren Eintritt
einer solchen Tendenz datierte Heidegger auf das Jahr 1945: Verwüstung,
Niedertracht, Geringschätzung, totale Niederlage, Ende, Verlust und
Selbstpreisgabe. Diese deutsche Niederlage war für Heidegger auch eine
Weltniederlage jenseits von Schuld und Sühne gewesen, weil sie lediglich
Konsequenz einer längst von ihm erkannten Entwicklung war, nämlich der totalen
Entfesselung menschlicher Barbarei im Dienste des Willens zu planetarischer
Macht über den Weg der Maßlosigkeit der Mittel.
Es liegt nun auf der Hand, daß Heideggers Ziel nach 1945 eine Rückkehr ins
Heilsame, ins Vertraute war, in dem die Dinge wieder zu sich selbst
zurückkehren können. Man kann auch sagen: Die Rettung des Phänomens der Tiefe
und des Strebens nach Wahrheit und heimatlicher Unversehrtheit treten in das
Denken dieser Zeit bei Heidegger ein. So versuche er z.B. die Gelassenheit des
Meister Eckhardt bei den Kriegsgefangenen zu beschwören, weil das Abendland
stets und immer wieder das Land der vielen Untergänge aber auch Aufgänge
gewesen sei. Das zyklische Modell der "ewigen Wiederkehr" Nietzsches
mit der Option eines fruchtbringenden neuen Werdens wird zentral.
Heideggers stilistisches Mittel ab 1945 ist in Anknüpfung an Platon der
philosophische Dialog, weil Heidegger an der Universität nicht mehr den Ort des
angemessenen Denkens seiner Zeit vorzufinden glaubt. Parallelen zu Platon werden
offensichtlich, denn auch er bevorzugte den Dialog, um nicht zum "Krüppel
in Bezug auf die Wahrhaftigkeit" (Platon, in: "Der Staat") zu
werden. Allein das Gespräch in seinem Dualismus könne sich vorbehaltlos und
frei in einem vorhandenen Wahrheitsgehalt bewegen. Die Phänomene möchte
Heidegger betonen, weil mit ihnen das Seinsdenken, die Ontologie, am besten
aufgeht und ideologische Blickverstellungen verschwinden. Vor diesem Hintergrund
schreibt nun Heidegger seine Feldweggespräche, in denen er sich in die
menschlichen Täler des Seins herab begibt, um den Nimbus der Heiligkeit des
Meister Eckhardt und den immer noch schöpferischen Glauben an das Deutsche im
Nachkriegsdeutschland neu zu revitalisieren. Das Leiden der Zivilbevölkerung
und das Leiden Heideggers selbst angesichts einer solchen Aufgabe bezeichnen die
Grundstimmung der Zeit. Der Feldweg, das Feldweggespräch werden zur zentralen
Kategorie des Denkens und Schreibens.
In diesen Zusammenhang ließe sich auch das vorliegende Buch van de Sandts
stellen: "Das Geheimnis des Feldweges", welches - nicht verwunderlich
- an Heidegger anknüpft. Ahrweiler sei eine Weintraube. Brenden sei ein
heimeliges Nest. Rom sei ein unergründliches Kunstwerk, innerhalb dessen man
sich im Restaurant "I Quattro Mori" nahe des Petersdoms gebührlich
niederlassen könne. Die Gedanken des Autors repräsentieren ein Experimentieren
mit dem Versuch eines Ansatzes einer Feldweg-Theorie. Mit ihr versucht der
Autor, das Wirken der universellen Evolution auch auf der Ebene des Menschen
darzustellen: Jeder Einzelne geht seinen Feldweg! - Und es ließe sich
fortsetzen: Er geht ihn so denkend und suchend, wie ihn Heidegger ging. -
"Schaffe deine Seins-Sinfonie. Du kannst deinen Feldweg nicht
verlieren." (17) Es scheint hier, als habe der Autor ähnlich wie Heidegger
seinen Weg gefunden, ohne ihn jemals zu verlieren.
Bei allen Postulaten von Erklärbarkeit ist der Autor seines unternehmerischen
Alltags wegen von einer tiefen Ehrfurcht vor den Mitmenschen, dem Umfeld und der
Natur durchdrungen. Die Affinität des Autors zum "geistigen Auftrag"
des Menschen und seiner Selbst-Werdung ist ein signifikanter privater
Charakterzug, zeichnet aber zugleich den philosophisch interessierten Menschen
an sich aus. Zugleich erschließt und präsentiert er mit diesem Werk eine
autobiographisch-essayistische Trilogie, die vielen Menschen Orientierung, Hilfe
und Hoffnung geben kann. Lediglich an einer Stelle scheinen dem Leser die
Verlautbarungen des Autors etwas vermessen, nämlich dort, wo er meint:
"Als Deutsche schulden wir all den Völkern ‚Dank, die unser Vaterland
vom Nationalsozialismus befreit haben." (27) Der inflationär gebrauchte
und damit schon nicht mehr ernst zu nehmende Duktus solcher Äußerungen gehört
in die Zeit kurz nach 1945. Heute ist dergleichen nicht mehr sinnvoll,
geschweige denn im Sinne Heideggers, dem es gerade um Selbstbewußtsein und das
spezifisch Deutsche ging, nicht um eine - eben gerade durch eine über
ideologische Blickverstellungen hervorgebrachte - universelle deutsche
Schamträgerschaft, die zivilreligiösen Charakter annimmt und damit für
philosophisch reflektierende Menschen keineswegs opportun ist.
Ein jeder beschreite seinen Feldweg auf sein eigenes Lebensziel zu, ohne es
jemals vollkommen zu erreichen. Wie das Universum expandiert, so erstrahlt auch
der winzige Beziehungs-Raum, wenn man ihn nicht verneint. Es ist vielfach der
leere Raum, der die metaphysische Unruhe des Menschen in der Moderne erklärt.
Die gegenwärtige Lebensweise sei von Beliebigkeit geprägt. Der Mensch, der zur
weiteren Selbstverbesserung seiner Lage bestimmt ist, tue gut daran, so zu
werden und so zu sein, wie es die innere moralische Integrität vorgibt.
"Verzicht entbehrt nicht. Verzicht gibt! (35) Solche und weitere moralische
Maximen sind für van de Sandt Lebensmaximen, ebenso wi: "Leistungsdruck
generiert Leistungsglück." (56) So versammeln sich in diesem Buch
Lebenserfahrung und - abgesehen von hypermoralischen Ausrutschern -
ernstzunehmende philosophische Reflexionen zugleich.
Martin Heidegger saß selbst einst am Hang des Feldbergs und besaß eine
kärgliche Hütte, in der er sich gern aufhielt. Dies macht viele seiner
späteren philosophischen Auffassungen verständlicher. Aber auch das Buch hier
nimmt Bezug auf Heidegger, macht ihn verständlich und denkt ihn teilweise fort.
Oftmals übernimmt es gar die spezifische Terminologie Heideggers. Der Leser mag
selbst entscheiden, ob dies vermessen ist oder innerhalb eines solchen Werkes
sogar angebracht. Heidegger war ein führender Vertreter der deutschen
Existenzphilosophie. In seinem Hauptwerk "Sein und Zeit" fragt er nach
dem "Sinn des Seins." Er beschreibt viele "Existenzialien",
von denen die "Angst" vor dem "In-der-Welt-Sein" eine der
wichtigsten ist. Beim späten Heidegger trat dann das Sein stärker in den
Vordergrund und der Mensch wurde durch seine Stellung zum Sein bestimmt, als ein
passives, dem Sein untertäniges Wesen.
Der Autor des vorliegenden Buches geht in Anknüpfung an Heidegger auf
"Sein und Raum" ein. "Das Dasein eines jeden Einzelnen ist mit
seinem Feldweg so verbunden, wie der Räderlauf einer Nähmaschine, die frisches
Gras schneidet" (9) Zum Sein kommt der Raum - zum Beispiel der Feldweg.
Fazit
Man lernt als Leser ähnlich wie von Heidegger: Gegen ideologische
Blickverstellungen und in Zeiten der Not und Bedrängnis hilft es immer, seinen
eigenen Feldweg zu gehen und dem "moralischen Gesetz in mir" (Kant)
allein zu folgen. Das hilft auch gegen die Angst des "In-der
-Welt-Seins". - Ein lesenswertes Buch!
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 25. Oktober 2008 2008-10-25 14:14:48