"A Novel of the Malazan Empire" ist der Untertitel des anzuzeigenden
Fantasyromans. Aufmerksame Leser werden nun vielleicht stutzig werden, weil der
Name
Steven Erikson nicht
auftaucht, doch das hat alles seine Richtigkeit. "Return of the Crimson
Guard" (RCG) ist der zweite Roman von Ian Esslemont, der sich vor Jahren
zusammen mit Erikson die Welt von Malaz ausdachte und dann in Abstimmung mit
Erikson an einer Reihe von Romanen arbeitete. Wie Erikson ist Esslemont von
Beruf eigentlich Archäologe und veröffentlichte vor einigen Jahren "Night
of Knives" (das Buch ist seit ein paar Monaten in einer preiswerten
Taschenbuchauflage erhältlich), in der er die Ermordung des malazanischen
Imperators Kellanveds und seines Gehilfen, des Assassinen Tanzer, schilderte. Es
war recht gut lesbar, aber noch längst nicht vergleichbar mit Eriksons
monumentalen Epos (wie man "A Tale of the Malazan Book of the Fallen",
oder in Deutschland: "Das Spiel der Götter", durchaus zu Recht
bezeichnen kann).
Englische Bücher, zumal aus dem Fantasy Genre, dem deutschen Leser
vorzustellen, mag nicht immer auf Gegenliebe der Leser treffen. Da aber
Esslemonts Werk wohl kaum in absehbarer Zeit ins Deutsche übersetzt werden
wird, mag man dem Rezensenten dies verzeihen. Denn um es vorweg zu sagen: RCT
ist ein lesenswertes und unterhaltsames Werk, wobei aber einiges Potential
verspielt wurde und vieles auch dadurch gerettet wird, dass es in der bis dato
wohl durchdachtesten Fantasywelt spielt.
Zeitlich spielt die Handlung etwa kurz nach den Ereignissen, die in
The Bonehunters geschildert wurden.
Das malazanische Imperium ist in Aufruhr geraten. Obwohl die Rebellion im Reich
der Sieben Städte niedergeschlagen werden konnte, gärt es gewaltig. Im alten
Herzland des Imperiums, auf Quon Tali, bereiten mehrere der unterworfenen
Völker den Aufstand gegen die Imperatrix Laseen vor. Diese hat kaum noch die
Ressourcen, um das Imperium zusammenzuhalten. Ihre wichtigste Waffe, die
Geheimpolizei der Klauen, wurde faktisch zerschlagen. Das Militär hat
erhebliche Verluste erlitten, nachdem nun auch noch die 14. Armee desertierte
(siehe
Reaper's Gale).
Auch ihren Beratern, dem durchtriebenen Mallick Rel, der vor allem seine eigenen
Ziele verfolgt, oder dem arroganten General Korbolo Dom, kann sie nicht
vertrauen.
Ironischerweise sind die Erfolge der Separatisten nicht zuletzt ehemaligen
malazanischen Offizieren zuzuschreiben: An der Spitze der sogenannten Talischen
Liga, die nun die Unabhängigkeit vom Imperium erklärt, stehen vor allem
Personen, die einst Imperator Kellanved gedient haben (und deshalb als "Old
Guard" bezeichnet werden), von Laseen aber nur enttäuscht sind. Da ist
etwa General Choss, der wie die meisten der alten Garde tot geglaubt war, nun
aber das Militär Talis kommandiert. Oder Ameron, ein ehemaliger hoher Offizier
der Kralle, des militärischen Arms der Geheimpolizei, die von Tanzer begründet
worden war, von Laseen aber nach ihrem Putsch fast ausgelöscht wurde.
Als in Quon Tali überall Aufstände ausbrechen, scheint es fast so, als sei das
Ende des Imperium gekommen. Doch nicht alle malazanischen Einheiten meutern.
Packend beschreibt Esslemont, wie in der uralten Stadt Li Heng Truppen loyal
bleiben und mehrere Angriffe abwehren - schließlich aber zu einer grausamen
Waffe greifen, um die Aufständischen in Schach halten zu können. In der Wickan
Ebene hält ein Trupp unter Leutnant Rillish aus und schützt einheimische
Zivilisten vor der Wut malazanischer Siedler, die sich ihres Landes bemächtigen
wollten. Interessant ist die Motivation der Loyalisten: sie halten oft weniger
aus Loyalität zu Laseen aus, als vielmehr wegen der Idee des Imperiums, das
immerhin den unterworfenen Völkern auch Recht und Ordnung gebracht und etwa
Blutfehden beendet hat.
RCT handelt aber nicht nur von diesen Auseinandersetzungen. Im Fokus steht eben
auch die Rückkehr der "Crimson Guard", einer Einheit, die bereits in
früheren Bänden beiläufig erwähnt wurde. Es handelt sich weniger um
Söldner, als vielmehr um eine verschworene militärische Einheit. Etwa 100
Jahre zuvor haben einige hundert Soldaten ihrem Herzog auf Quon Tali ewige Treue
geschworen. Sie wollten nicht ruhen, bis die malazanischen Besatzer aus Quon
Tali vertrieben waren. Der Eid gab den Beteiligten übermenschliche Fähigkeiten
und langes Leben, doch nun ist die Garde über alle Kontinente verstreut, der
Herzog ist ebenso verschollen. Als der Kommandeur Skinner alle Truppen der Garde
aufruft, ihn nach Quon Tali zu begleiten, ahnt keiner, welche anderen Pläne
Skinner verfolgt. Als es zur Schlacht zwischen der Garde und den Malazanern
kommt, ist nichts so, wie es zunächst schien.
Fazit
RCT ist ein recht guter Fantasyroman, doch dürften vor allem Freunde von
Erikson in den vollen Genuss kommen. Einsteigern in die Welt von Malaz ist eher
abzuraten: zu viele Personen und Handlungsbögen werden beschrieben, so dass man
erst eine gewisse Eingewöhnungsphase benötigen wird. Die Qualität der
Handlung und der Stil ist im Vergleich zu "Night of Knives" deutlich
angestiegen, aber Esslemont begeht m. E. den Fehler, zu viele Personen
darzustellen und sie dann regelrecht zu "verbraten". Die Handlung um
Ghelel etwa, der letzten Herzogin von Tali, mag interessant sein, wird aber
recht lieblos abgespult. Auch Charaktere wie Ameron oder Choss hätten besseres
verdient gehabt, Skinners Geschichte wird eher eingeführt (Erikson wird sich
ihm wohl bald widmen...) als wirklich genutzt.
Esslemont kommt nicht an Erikson heran, aber es ist wohl auch falsch, beide
direkt zu vergleichen, wenn ihre Handlungen auch in der gleichen Welt spielen.
Für sich genommen ist RCT wie gesagt lesenswert, die Handlung ist teils
überaus interessant. Und allein die Tatsache, dass RCT die Handlung im
malazanischen Imperium wieder aufnimmt, macht das Buch für Malazan-Fans zu
einem Pflichtkauf. Alle anderen sollten es in einer gut sortierten Bücherei
anlesen und sich dann entscheiden.