Der vorliegende Roman spielt im Jahre 1532. Landgraf Philipp I. von Hessen ist
dabei, den Schmalkaldschen Bund gegen die Katholische Liga zu gründen. Philipp
versucht, auch die Messestadt Frankfurt für diesen Bund zu gewinnen. Diese aber
fürchtet, das Wohlwollen des Kaisers Karl V. und seines Reichskanzlers, des
Erzbischofs von Mainz, zu verlieren damit den Verlust ihrer Privilegien als
Messestadt, die dafür Mainz übernehmen könnte.
In dieser Situation wird eine Wanderhure tot auf dem Galgenberg der Stadt - in
Frankfurt-Sachsenhausen - aufgefunden. Über ihr - direkt unter dem Galgen -
hängt ein toter Hund.
Der städtische Richter, Heinz Blettner, tippt auf Freitod. Seine junge Frau
Hella - assistiert von ihrer Mutter Gusteldis - sieht dies anders und vermutet
Mord. Kurz darauf wird am selben Ort - unter gleichen Umständen - der
städtische Gewandschneider Voss tot aufgefunden. Außerdem sterben ein
lutherischer Pfarrer und der Sohn eines reichen Patriziers auf die gleiche Art
und Weise. Blettner steht unter Druck: will er die direkte Intervention des
Landgrafen - der Unterlagen über die Stadt durch Spione in seine Hand bekommen
möchte - verhindern, muß er die mysteriösen Todesfälle aufklären.
Parallel zu dieser Geschichte wird das Schicksal einer jungen Hure erzählt;
diese wächst im Frankfurter Hurenhaus auf und erlebt hautnah dieses Milieu mit.
Eines Tages beschließt die Hurenmeisterin, die Mutter der jungen Hure aus dem
Haus zu weisen, da sie zu alt und zu nichts mehr zu gebrauchen sei. Nur, wenn
sich die Tochter einem Kunden, der für sie bezahle, sexuell hingäbe, könnten
beide im Hurenhaus bleiben. Doch die Tochter verweigert sich dem gut situierten
und zahlenden Kunden und läuft weg, die Mutter wird aus dem Hurenhaus geworfen.
Damit nimmt die Tragödie ihren Lauf...
Sehr bald weiß man, wer der Täter ist und aus welchen Motiven heraus er
mordet. Während das Schicksal des jungen Mädchens durchaus an Romane von
Charles Dickens erinnert und Anteilnahme erweckt, wirkt die Parallelhandlung,
die der Aufklärung des Verbrechens dient und im Haus des Richters Blettner und
seiner Familie spielt, recht langatmig und für mich kommt da lange Zeit
keinerlei Spannung auf. Außerdem ist die Sprache voll mit widerlichen
Ausdrücken (gefickt etc.) und die Charaktere sind - mit Ausnahme des Mädchens
- recht eindimensional gezeichnet, etwa der Pfarrer, der eindimensional böse
erscheint, der junge Patrizierssohn, der ebenfalls als Charakter zu platt
eindimensional böse dargestellt scheint. Eine Hebamme, die im Roman eine
wichtige Rolle spielt und dem jungen Mädchen Unterkunft und Wohnung anbietet,
scheint ebenfalls zu blass gezeichnet. Bemerkt sie denn nicht, was ihr
Schützling treibt? Oder billigt sie das Tun des Mädchens im Geheimen?
Fragen über Fragen.
Was mich am meisten an dem Buch enttäuscht hat, ist jedoch nicht die
oberflächliche Handlung, sondern, dass - außer kurzen Anmerkungen zum
Schmalkaldschen Bund (dessen Funktion nirgends richtig erklärt wird) und zu
Philipp I., der selber nicht in dem Roman vorkommt - das Mittelalter in dem Werk
lediglich als austauschbare Staffage erscheint - zumindest ging es mir so. Sinn
eines historischen Romans ist es doch, die Zeit, in der er spielt,
"lebendig" werden zu lassen. Und dies gelingt Ines Thorn leider
überhaupt nicht. Das - in Details übermäßig grausame Buch - zieht sich
schleppend dahin, auch wenn konzediert werden muß, dass die Grausamkeit selber
nicht aus voyeuristischen Gründen im Roman eine Rolle spielt, sondern, um die
Atmosphäre im Hurenhaus und die Motive für die späteren Morde zu
verdeutlichen (auch dies gelingt nicht immer: warum die Wanderhure ermordet wird
und die Tochter es nicht bei einer Aussprache mit der Mutter, die ja auch
Leidende ist, beläßt, wird überhaupt nicht aus der Handlung ersichtlich). Die
Sprache wirkt teilweilse durchaus trivial und so ist das Buch - wie ein
Rezensent m.E. zu recht konstatiert hat - Massenware - mehr leider nicht.
Fazit
Fazit: Schade, hier wurde eine Chance vertan. Meines Erachtens ist das Buch
nicht weiterzuempfehlen und auch in keinster Weise spannend, wenn auch das
Schicksal der jungen Hure selber durchaus zum Nachdenken anregt. Und - wie oben
gesagt: das Mittelalter wirkt hier lediglich als (austauschbare) Staffage, der
Roman hätte auch in jeder anderen Zeit spielen können.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 22. August 2008 2008-08-22 12:47:22