Nachdem ich Renate Feyls Romanbiographie "Die profanen Stunden des
Glücks" über Sophie von La Roche sehr gemocht habe, bin ich von der
neuesten Lebensbeschreibung der preußischen Königin Sophie Charlotte und ihres
Verhältnisses zum Mathematiker und Philosophen Leibnitz ziemlich enttäuscht.
Sophie Charlotte kam aus dem Hause Hannover und heiratete den ersten
preußischen König Friedrich I. Sie war die Mutter des
"Soldatenkönigs" Friedrich Wilhelm I., der sie zwar liebte, zu dem
sie aber aufgrund zu unterschiedlich ausgeprägter Interessen keine wirkliche
Beziehung aufbauen konnte. Friedrich I. schenkte seiner jungen Gemahlin das
Schloss Lietzenburg, das heute nach ihr benannte Schloss Charlottenburg.
Es war Sophie Charlotte, der es Friedrich I. in erster Linie verdankt, dass
seine Herrschaft als kulturelle Blütezeit in die Geschichte Preußens
eingegangen ist. Es war ihr Enkel Friedrich der Große, der sie als "das
Genie eines großen Mannes mit den Kenntnissen eines großen Gelehrten"
bezeichnet hat und auch der französische Sonnenkönig, Ludwig XIV. wollte
Sophie Charlotte mit einem seiner Söhne verheiraten.
Doch sie heiratete in das Haus Brandenburg ein und es war insbesondere ihre
Beziehung zu Leibniz, dem sie ihre geistigen Anregungen verdankte. Leibnitz
hatte es nie leicht mit seiner Gönnerin. Sophie, ein Kind des beginnenden
Zeitalters der Vernunft, zweifelte an den aus der mittelalterlich-scholastischen
Welt stammenden Fundamenten des Glaubens, an der Gültigkeit der Konfessionen,
an der Offenbarung, an den Wundern, an der Vorsehung und an der göttlichen
Weltordnung überhaupt. Als sie im Alter von 37 Jahren 1705 an den Folgen einer
eitrigen Mandelentzündung starb, sagte sie: "Beklagen sie mich nicht, denn
ich gehe jetzt, meine Neugier zu befriedigen über dieUrgründe der Dinge, die
mir Leibniz nie hat erklären können."
Diese Beziehung zwischen Gottfried Wilhelm Leibniz und Sophie Charlotte steht im
Mittelpunkt der Romanbiographie von Renate Feyl, die selber Philosophie studiert
hat. Leider nutzt Renate Feyl - ganz im Gegensatz zu ihrer Lebensbeschreibung
über Sophie von La Roche - meines Erachtens nicht die Möglichkeiten aus, die
ihr ein solcher Stoff gegeben hätte.
Sie beschreibt zwar treffend die unersättliche Neugier Sophie Charlottes und
ihr gelingt auch ein treffendes Portrait von Leibniz und den Grundzügen seiner
Philosophie, die Religion und Vernunft miteinander versöhnen wollte.
Doch dabei bleibt es. Mein Problem bei diesem Buch ist: diese Beziehung kann man
auf 30 Seiten beschreiben, meinetwegen auch auf 100. Aber nicht auf 270 Seiten!
Wiederholung reiht sich an Wiederholung, wenn mindestens fünf Begegnungen der
beiden Persönlichkeiten geschildert werden und immer noch nichts
"Neues" ins Spiel gebracht wird. Immer wieder gebraucht Renate Feyl
dieselben Vokabeln, um das Verhältnis zwischen Sophie Charlotte, der Suchenden,
und Leibniz, des Lehrers, der sich in sie verliebte, zu kennzeichnen.
Es wäre sinnvoller gewesen, stärker auch die politischen Bezüge der Zeit,
etwa die Herrschaft der Wartenburgs herauszuarbeiten. Doch dies - ebenso wie das
Verhältnis zum Kronprinzen Friedrich Wilhelm - kommt leider nur am Rande vor.
Spätestens nach 100 Seiten hatte ich keine Lust mehr auf das Buch. Ich habe es
zwar pflichtgemäß zu Ende gelesen, war aber - aufgrund der zahlreichen
Wiederholungen - sehr enttäuscht und bereue es, das Buch erworben zu haben.
Ganz im Gegensatz zu Sophie von La Roche bekomme ich keinen Zugang zu Sophie
Charlotte oder Leibniz und werde mit beiden Personen nicht warm. Der eine
verehrte die "Lebensgöttin" - und sie war faszniniert vom Wissen des
Universalisten - ohne von seiner Philosophie überzeugt zu sein, wie an
Begegnungen Sophie Charlottes mit anderen Philosophen deutlich wird. Anstatt nun
die Gelegenheit zu nutzen, über einen Disput die Ansichten der verschiedenen
Philosophen miteinander zu vergleichen - und genau dazu fordert Sophie Charlotte
Leibniz vergeblich auf - "kneift" Leibniz bei diesen Diskussionen und
verweigert solche Debatten. Dies mag historisch korrekt und stimmig sein. Durch
den Verzicht auf den Vergleich zwischen den Positionen der Philosophen und der
reinen Reduzierung auf die Liebesbeziehung zwischen dem Philosophen und der
"republikanischen Königin" vergibt sich Renate Feyl meines Erachtens
die Chance, dieses Buch wirklich interessant zu machen und abzurunden. So bleibt
beim Leser das - unbefriedigte - Gefühl zurück: er liebte sie, weil sie ihm
zuhörte, sie verehrte ihn, ohne von seiner Philosophie überzeugt zu sein und
verwirrte ihn mit ihren zweifelnden Fragen. Ja, für 30 oder 100 Seiten reicht
dies sehr wohl - bei 270 Seiten jedoch kommt allmählich Lustlosigkeit und
Langeweile auf.
Fazit
Schade, hier wurde meines Erachtens ein interessantes Thema schlicht verschenkt.
An die Lebensbeschreibung über Sophie von La Roche kommt diese Romanbiographie
bei weitem nicht heran.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 15. Juli 2008 2008-07-15 10:04:04