Das ist ein wunderbares Buch, und unter uns Freundinnen, die wir es schon
gelesen haben, bereits so etwaswie ein Kultbuch."
Diesen Worten der bekannten Literaturkritikerin Elke Heidenreich ist eigentlich
nichts hinzuzufügen. 1771 erscheint der erste deutsche Frauenroman Die
Geschichte des Fräuleins von Sternheim" auf der Leipziger Buchmesse. Er
machte seine Verfasserin, Sophie La Roche (1730-1807) mit einem Schlage
berühmt. Wieland, ihre Jugendliebe, Herder, Goethe, Lenz und Schiller
bewunderten sie. Doch nicht nur als Romanautorin wurde Sophie von La Roche
berühmt: sie war auch Herausgeberin der ersten deutschen Frauenzeitschrift
Ponoma." Von dieser Zeitschrift war Katharina die Große von Rußland so
begeistert, dass sie davon fünfhundert Exepmlare abonnierte und so dieser
Zeitschrift zum Durchbruch verhalf.
Im Februar 1807 - also vor über 200 Jahren - verstarb Sophie La Roche in
Offenbach, was wir zum Anlass nehmen, diese großartige Frau zu würdigen.
Wie ist nun ihr Lebensweg verlaufen? Wie kam es zu ihrem Ruhm? Wie gestaltete
sich ihr Verhältnis zu den ihr verwandten Geistesgrößen wie Wieland oder
Goethe? Wie lief ihr Alltag ab?
All diese Fragen beantwortet die meines Erachtens bis heute einfühlsamste
Romanbiographie über Sophie La Roche: Die profanen Stunden des Glücks"
von Renate Feyl. Sie zeigt, dass der glanzvolle Start Sophie La Roches als
Romanautorin vor allem der Beginn enier mühseligen, von Neid, Klatsch und
Schicksalsschlägen geprägten Karriere war.
Ihren ersten Verlobten, einen Italiener, mußte sie auf Druck ihres hartherzigen
Vaters verlassen, der sie dann - um sie loszuwerden - mit Georg Michael von La
Roche verheiratete, einem aufgeklärten und gebildeten Geist, der es bis zum
Kanzler von Kurtrier unter Kurfürst Clemens Wenzelslaus bringen sollte. Sophies
Leben schien also sorgenfrei zu beginnen. Nach dem sensationellen Erfolg ihres
Romanerstlings, der Geschichte des Fräulein von Sternheim, der 1771 erschien,
steigt sie in höchste Kreise in Hof und Adel auf.
Doch klerikale Kreise verdächtigen ihren Ehemann, ein Atheist zu sein, und im
September 1780 wird Georg Michael von La Roche gestürzt und muss Koblenz
verlassen. Nur die Tatsache, dass ein befreundeter Minister ihm Wohnung und die
eigene Pension zur Verfügung stellt, lässt die Familie überleben. Sophie ist
nun darauf angewiesen, Geld zu verdienen, zumal Georg Michael La Roche ein
Angebot des preußischen Königs Friedrichs
des Großen, in seine Dienste zu treten, ablehnt, da er einen Neuanfang scheut
und einen nochmaligen Sturz nicht ertragen will.
Um die Familie - inzwischen gibt es vier Kinder, die versorgt werden müssen,
über die Runden zu bringen, schreibt Sophie von La Roche nun für Geld. Sie
gründet - gegen den Willen ihres Gatten - die oben erwähnte Frauenzeitschrift
Ponomia. Renate Feyl zeigt
deutlich, wie groß der Unterschied ist, aus gesicherter materieller Situation
heraus schreiben zu können oder aus Gründen des Gelderwerbs schreiben zu
müssen.
Doch die Stärke einer Persönlichkeit zeigt sich im Unglück. Sophie La Roche,
sehr energisch, nimmt die Zügel in der Familie in die Hand und sichert ihr
Überleben. Die älteste Tochter, Maximiliane, der Goethe in seinem
Werther" ein literarisches Denkmal gesetzt hat, heiratet Peter Anton von
Brentano, der sich am Kauf des Grillhäuschens" in Offenbach am Main
beteiligt. Dadurch können die LaRoches Eigentum erwerben und - nachdem die
Ausbildung der Kinder gesichert ist - mit der Pension Georg Michael La Roches
bescheiden leben. Ein glückliches Leben, sollte man meinen. Doch Georg Michael
kommt über seinen Sturz als Kanzler Kurtriers nicht hinweg, erleidet einen
Schlaganfall und stirbt 1788, nur zwei Jahre nach dem Einzug in das neue Heim.
Außerdem muss Sophie von La Roche den Tod ihrer Lieblingstochter Maximiliane,
die nach der Geburt ihres 19. Kindes stirbt, und ihres Lieblingssohnes Franz
ertragen. Sohn Fritz, zeitweise in Amerika erfolgreich, erweist sich als
Versager, der Frau und Familie im Stich lässt und Schulden macht. Die Tochter
Lullu wird von ihrem trunksüchtigen Mann schwer misshandelt und flieht zur
Mutter zurück - unglücklich bis an ihr Lebensende.
Was bleibt da noch an Glück für Sophie La Roche? Eigentlich nur ihre
literarische Arbeit, in die sie sich flieht, um den Alltagssorgen durch
Schreiben zu entkommen, sowie die Anerkennung, die sie als außergewöhnliche
Frau bei befreundeten Schriftstellern, Philosophen und insbesondere bei ihrem
Jugendfreund Wieland, zu dem sie bis zu ihrem Tode eine platonische Liebe
verbindet, findet.
Am schönsten finde ich - am Schluss des Romans - die Worte, die Wieland, der
ihren ersten und ihren letzten Roman herausgegeben und mit einem Vorwort
versehen hat, anlässlich ihres 75. Geburtstages für seine frühere Jugendliebe
findet:
Mit Rührung und Dank gegen die unsichtbare Hand, die unsere Schicksale lenkt,
erinnere ich mich der seligen Tage, die ich, ewig teure Sophie, mit Ihnen lebte
und des so wohltätigen Zaubers, den Sie mit dem ersten Blick auf mein ganzes
Wesen warfen. Damals kannte ich weder Sie noch mich selbst, ich hatte keinen
Begriff davon, daß es möglich sei, nicht mit Ihnen und für Sie zu leben. Aber
es war eine idealistische, eine wahre Zauberwelt und selbst die Sophie, die ich
so innig und so schwärmerisch liebte, war nicht die wahre Sophie Gutermann,
sondern die Idde der Vollkommenheit, die sich in ihr verkörpert darstellte und
diese wunderbare platonische Liebe hervorbringen mußte, deren süße
Täuschungen einen so mächtigen Einfluß auf meine ganze innere und äußere
Existenz gehabt haben. Nichts ist wohl gewisser, als daß ich, wofern uns das
Schicksal nicht im Jahre 1750 zusammgebracht hätte, kein Dichter geworden
wäre."
Diese Worte zeigen meines Erachtens, welche Kraft, ja welches Charisma von
dieser ungewöhnlichen, empfindsamen und doch sehr mutigen Frau ausgegangen sein
muß. Renate Feyl gelingt es fabelhaft, sich in das Leben dieser Frau
einzufühlen und das Auf und Ab ihres Lebens, ihre literarische Entwicklung, ihr
Leben und das Alltagsleben jener Zeit plastisch und treffend darzustellen. Es
fasziniert an diesem Buch die Fülle der Details genau aus diesem Alltagsleben
der Großmutter der Brentanos", der Einblick in die gesellschaftlichen
Konventionen und vor allem der Einblick in die Gesetzmäßigkeiten des
Literaturbetriebes,
den Kampf Sophie La Roches mit ihren Verlegern, denen es nur um pekuniären
Erfolg und Schreiben gemäß dem - immer schneller wechselnden - Zeitgeist und
nicht in erster Linie um literarische Qualität ging.
Am meisten hat mich beeindruckt, dass sich Sophie La Roche von den Widrigkeiten
des Lebens nicht hat unterkriegen lassen, sondern immer wieder aufgestanden und
den Schicksalsschlägen getrotzt hat. Sie hat sich nicht verbiegen lassen, sich
in ihren Werken - auch um den Preis des literarischen Mißerfolges - nicht dem
Zeitgeist angepasst, sondern sich die Freiheit genommen, nach meinem Charakter
zu leben", wie es der Herausgeber des ihr zu Ehren entstandenen Kataloges
einer Ausstellung in ihrer Heimatstadt Offenbach anlässlich ihres
zweihundertsten Todestages, Jürgen Eichenauer, treffend formuliert hat.
Dies wird an dieser einfühlsamen Romanbiographie Renate Feyls, die meines
Erachtens zum Besten gehört, was über Sophie La Roche geschrieben worden ist,
sehr deutlich.
Fazit
Renate Feyl hat mit diesem Buch das Genre der Romanbiographie" in der
deutschen Literatur wieder hoffähig" gemacht, nachdem diese Kunst nach den
wunderbaren Werken Stefan Zweigs lange Zeit in die Vergessenheit geraten war.
Renate Feyl zeigte mit diesen Werk, dass Biographien nicht nur dann informativ
sein können, wenn sie streng wissenschaftlich konzipiert sind. Nein, auch
Romanportraits zur Unterhaltung" können - wenn sie mit Empathie
geschrieben sind, den Leser befähigen, sich ein lebensechtes Bild zu machen -
von der biographierten Persönlichkeit und ihrer Zeit, in welcher sie gelebt
hat. Und dies ist Renate Feyl mit dieser Lebensbeschreibung aus meiner Sicht
hervorragend gelungen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 02. Juli 2008 2008-07-02 13:25:32