Der Historiker Todd schrieb in den siebziger Jahren ein Buch, in dem er der
Sowjetunion einen nahen Untergang prophezeite. Seiner Zeit belächelt (teilweise
durchaus zu Recht, war die Kausalkette doch nicht immer schlüssig), schreibt
Todd knapp dreißig Jahre danach vor dem Hintergrund einer völlig veränderten
Welt eine ähnliche Abhandlung. Die Blöcke sind zerbrochen, der Warschauerpakt
aufgrund des Zusammenbruchs der UdSSR, die Nato auf der anderen Seite zeigt
erste Risse im Fundemant. Die von ihm wahrgenommenen Unterschiede zwischen der
"Alten Welt" und den USA zeigt Todd in seinem Buch "Weltmacht USA
- ein Nachruf" auf. Dabei kann man seine eurozentrische Sichtweise
bekriteln, jedoch nicht unbedingt die interessanten Schlussfolgerungen, zu denen
er gelangt.
Nach Todds Ansicht habe der Ost-West Konflikt die offensichtlichen Differenzen
zwischen den USA und Europa nur verdeckt. So trenne gerade eine kulturelle und
mentale Barriere die beiden atlantischen Nachbarn. Vor dem Hintergrund der
amerikanischen Aktivitäten im Nahen Osten (die inzwischen beklagenswerter Weise
zum zweiten amerikanischen Irak-Krieg geführt haben), schlüsselt Todd seine
Theorie über ein weltumspannendes Hegemoniebestreben der USA auf. Jedoch sieht
er gleichzeitig bereits in diesen Tendenzen den nahen Untergang der USA am
Horizont dämmern.
So lebten die USA auf Kosten eines ungeheuren Wirtschaftsdefizits. Dies
entspricht übrigens durchaus den Tatsachen - die Clinton Regierung hat eine
"kreative Buchführung" betrieben, wie der führende
Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik auf den 36. Mainzer Tagen sarkastisch
konstatiert hat. Würde Europa diesem Beispiel jedoch folgen - der Traum vieler
Neoliberaler in diesem Land - würde die europäische Wirtschaft in kürzester
Zeit ruiniert sein, von dem sozialen Frieden ganz zu schweigen (auf dessen
Hintergrund Todd auch ein Ansteigen des Rechtsextremismus - unter anderem -
zurückführt). Europa sei immer noch produktiver als die USA, weshalb die
letzte Wirtschaftskrise auch Europa härter getroffen habe als Amerika - würden
doch die produktiveren Industrienationen von Konjuktureinbrüchen stärker
geplagt als die unproduktiveren. Todd sieht auch eine metale Ignoranz im
Benehmen der Amerikaner: sie seien aus Europa auf einen Kontinent ausgewandert,
dessen Ressourcen sie ausplündern konnten, während Europa immer wieder mit
Rückschlägen zu kämpfen hatte. Europa habe dafür aber aus seiner Geschichte
gelernt und wisse aus der mehr als tausendjährigen (jüngeren) Geschichte,
welche Folgen Krieg habe. Auch ist der kulturelle Zusammenhalt in Europa
stärker, blicke man doch auf ein Kulturerbe bis in die griechisch-römische
Antike zurück.
Anders die USA, die nur auf knapp dreihundert Jahre Geschichte zurückblicken
können, die ein unaufhaltsamer Aufstieg waren. Doch nun würden sie auf ein
sich emanzipierendes Europa, ein schwächelndes, aber immer noch mächtiges
Rußland und auf ein lauerndes China treffen. Die Hegemonie der USA - kaum
begründet - würde schon bald seinem Ende entgegen gehen, besonders, wenn
Europa sich zusammen um ein Gegengewicht kultureller und wirtschaftlicher Art
bemühen würde...und dabei denkt Todd besonders an die "Achse" (ein
wenig glücklicher Begriff) Frankreich-Deutschland.
Fazit
Todd präsentiert interessante Ansichten, die man durchaus teilen kann. Ob nun
die von ihm prophezeite Götterdämmerung allerdings eintritt, wird uns erst die
Geschichte lehren, die uns gezeigt hat, dass kein Imperium für immer Bestand
hat. Allerdings blickt in Todds Essay manchmal stark der gaullistische Geist
vieler Franzosen durch, zumal er manche Fakten simplifiziert; das tut der gut
geschriebenen Abhandlung aber keinen Abbruch. Und irgendwie kann es einem
gefallen, an eine Welt zu denken, in der die USA wieder Partner und nicht
Hegemon sind.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 01. April 2003 2003-04-01 12:25:31