Johannes Heinrichs, Sozialphilosoph, ist bekannt geworden mit seiner politischen
Philosophie, wonach sich die Vierstufung für soziale Organismen in der sich
selbst wissenden Gemeinschaft auf jeder Ebene institutionell im politischen
System zu verwirklichen habe: "Die Reflexionsstufen (...) prägen sich im
modernen Staat als die Subsysteme (1) Wirtschaft, (2) Politik, (3) Kultur und
(4) Grundwertesystem aus." (Johannes Heinrichs, Revolution der Demokratie,
2003, S. 118) Heinrichs fordert die institutionelle Berücksichtigung dieser
Subsysteme. Dazu gehört die subsystemische Differenzierung der Attribute von
Konsum und Handel (Wirtschaft), von Recht und Freiheit (Politik), von Sprache,
Gemeinschaftlichkeit und Überlieferung (Kultur) und von transzendentem
Wertfundament (Grundwerte).
Für eine entsprechende Reform im Politischen im Sinne der vier Ebenen des
sozialen Organismus hat seine Viergliederung der legislativen Institutionen im
Zuge der unabhängig voneinander gewählten Fachparlamente für jede Systemebene
große Beachtung gefunden. Die Legislative wird gegliedert in
prinzipiengeleitete Parlamente auf der Basis naturwüchsigen gesellschaftlichen
Lebens. Dazu gehört 1. ein Wirtschaftsparlament, 2. ein politisches Parlament,
3. ein Kulturparlament und 4. ein Grundwerteparlament. Sprache gilt als
ausdrückliche Aufgabe des Kulturparlaments, welches hauptsächliche Pflege und
Bewahrung derselben zur Aufgabe hat. Mit dem vorliegenden Buch hat Heinrichs die
Dimension der Sprache nochmals vertieft und in einem eigenen Buch philosophisch
differenziert und sehr ausgiebig betrachtet.
Es war ein bedeutender Schritt, als Ch. W. Morris 1938 drei semiotische
Dimensionen an der Sprache unterschied. Noch ist jedoch längst nicht von allen
Linguisten, besonders Computerlinguisten begriffen worden, daß es aufeinander
unrückführbare Dimensionen der Sprache gibt. Allerdings genügt das üblich
gewordene, treue und gläubige Tradieren von Morris bei weitem nicht: Seine
semiotischen Dimensionen sind bezüglich Reihenfolge, Zahl und vor allem in
ihrer Definition gründlich zu revidieren. Besonders der Begriff der
"Pragmatik" leidet unter schwersten, folgenreichen Unklarheiten. Denn
in ihm wird - ziemlich paradox für ein semiotisches Herangehen
an Sprache als Zeichensystem! - ausgerechnet die grundlegende Zeichendimension
vernebelt. Von einem spezifisch semiotischen Sprachbegriff ganz zu schweigen.
Der Sozialphilosoph, der sich hier auch als vorzüglicher Semiotiker erweist,
nennt die Zeichendimension (in Anschluss an G. Klaus) "Sigmatik". Sie
steht in diesem ersten Band im Vordergrund - mit Themen, die sonst gar nicht
üblich sind: Wahrnehmbarkeit und Bedeutungsprägung der sprachlichen
"Lautgestik", ihre ursprüngliche Handlungseinbettung (um die
Wittgenstein rang) und ihr dynamischer Systemcharakter, der sich in den
"Kugelblitzen" der Schlagwörter und geflügelten Wörter zeigt.
Das gesamte Sprach-Werk wird die vier semiotischen Dimensionen der Sprache in
ihrer reflexionslogischen Reihenfolge und Vollständigkeit abhandeln: 1. die
Zeichendimension (Sigmatik), 2. die Bedeutungsdimension (Semantik), 3. die
Handlungsdimension (Pragmatik) sowie 4. die Verbindungsdimension der Zeichen
(Syntaktik, die u.a. Satzbau und Stilistik umfasst). International neuartig ist
allein schon das Basieren dieser Sprachabhandlung auf einer vorweg
ausgearbeiteten Handlungstheorie (= Teil I dieser philosophischen Semiotik).
Sprache als ganze wird konsequent als ein Meta-Handeln analysiert. Die große
Wette, zu welcher der Philosoph herausfordert, lautet: Sprache ist nicht bloß
eine Angelegenheit angeblich "rein empirischer" Linguistiken des
Jagens und Sammelns. Ihr liegt eine menschheitsverbindende Logik zugrunde, die
in Zeiten der Globalisierung endlich wieder ernsthaft zum Thema werden muß.
Mit seiner in vielen Themenbereichen fruchtbar gemachten Reflexionslogik, die
wir schon aus dem Bereich des Politischen kennen, will Heinrichs den unheilvoll
gewordenen Graben zwischen heillos zersplitterten Sprachwissenschaften und
Philosophie mit wohl begründeten Einsichten überbrücken. Um dem so bequemen
Vorwurf zu entgehen, er berücksichtige nicht "alle Sprachen der
Welt", kooperiert er mit einem ausgewiesenen Kenner der ostasiatischen
Sprachen, Hans-Jürgen Zaborowski (Frankfurt, Berlin, Seoul).
Fazit
Ein Muß für Systematiker und Philosophen, die das Denken noch als ernste
Herausforderung betrachten.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 07. Juni 2008 2008-06-07 11:50:19