Das Buch, das gestohlene Kind, ist ein modernes Märchen um den siebenjährigen
Jungen Henry Day. Inspiriert vom gleichnamigen Gedicht von William Yates Gedicht
schreibt er eine lehrreiche Kindergeschichte. Keith Donohue gelingt es sehr gut,
aus Sicht von Kindern, das Abenteuer erwachsen zu werden, zu erzählen.
Henry Day ist ein sieben Jahre alter Bursche, der aus einer plötzlichen Laune
heraus von zu Hause ausreisst. Seine Mutter ist mit den Zwillingen beschäftigt
und er fühlt sich im Stich gelassen und scheinbar unbeachtet. Mit den Taschen
voll Lebensmitteln verlässt er sein Heim und verschwindet in den benachbarten
Wald. Dort wird er von Kobolden entführt, während gleichzeitig einer der ihren
seine Gestalt annimmt und als Wechselbalg aus der Schattenwelt bei Henrys Eltern
an seiner statt aufwächst. Als der Ausreisser des Abends in einem hohlen Baum
gefunden und nach Hause gebracht wird, bemerken die überglücklichen Eltern
nichts von dem Tausch. Er gleicht äußerlich vollkommen dem echten Sohn, ist in
Wahrheit aber ein vor langer Zeit gestohlenes Menschenkind. Der Kobold muss sich
nun langsam aber sicher und vor allem sehr feinfühlig in die neue Familie
einfinden. Ab und zu hat Henrys Vater befürchtungen, dass etwas mit ihm
geschehen, oder er vielleicht doch nicht sein Sohn ist.
Aniday, einer Verballhornung seines richtigen Namens, wird durch ein
gefährlich erscheinendes Wasserritual in die Gemeinschaft der Kobolde,
geheimnisvolle alterslose Waldbewohner, aufgenommen. Dort beginnt er ein neues,
scheinbar unsterbliches Leben als ewig Siebenjähriger. Auch er muss sich in ein
neues Leben einfügen.
Fazit
Keith Donohue verbindet in seinem Buch die Wirklichkeit mit dem Wechselbalg und
die Mythenwelt mit dem ehemaligen Menschen Henry. Beide Welten bestehen
gleichzeitig, ineinander verwoben und nebeneinander gelegen. Der genaue Platz
ist nicht bekannt. Ebenso wie der genaue Platz der beiden Haupthandlungsträger.
Eine Märchenfigur in der Wirklichkeit und eine Menschenfigur in der
Märchenwelt. Die beiden wachsen in die jeweils fremde Welt hinein. Mit jedem
Tag in der neuen Welt verschwinden die Erinnerungen und das Wissen um die
Vergangenheit. Nur ganz tief im Unterbewusstesein regt sich hier und da eine
Erinnerung. Bei Henry ist es die Musik, die immer wieder eine Erinnerung hervor
bringt. Bei Aniday sind es die Träume, die ihn an etwas zu erinnern versuchen.
Beide versuchen mit dem Gefühl, etwas verloren zu haben, zurecht zu kommen. Mit
Fortschreiten der Erzählung nähern sich die beiden Haupthandlungsträger
wieder einander an, ebenso wie die beiden unterschiedlichen Welten.
Keith Donohue erzählt die Geschichten abwechselnd. Auf der einen Seite
entwickelt sich Henry, wird älter, und muss sich damit beschäftigen, erwachsen
zu werden. Gleichzeitig bleibt Aniday der alterslose Kobold. Beide müssen
letztlich irgendwie mit ihrem Leben zurecht kommen. Keith beschreibt das Leben
von Henry sehr viel greifbarer als das Leben von Aniday. Wobei er und die
anderen Kobolde gar nicht in der Lage sind, das Leben in der Wildnis zu
bewältigen. Immer wieder müssen sie in die Welt der Menschen und sich mit
lebenswichtigen Dingen versorgen. Die Stärke von Keith Donohue liegt eindeutig
beider Beschreibung der Zeit und dem Leben von Henry. Die Welt von Aniday bleibt
fühlbar schwächer und farbloser, so als ob damit nicht zurecht käme. Auf der
einen Seite befinden wir uns in der Parallelwelt des Aniday mit Anklängen an
irischen Sagen, auf der anderen Seite sind wir in etwa in den 1960er Jahren.
Der amerikanische Autor befleissigt sich einer sehr einfachen und daher gut
lesbaren Sprache. Jugendliche können sich schnell mit Henry als Figur gleich
setzen. Seine Art und Weise wie er zwei Erzählstränge miteinander verbindet
ist durchaus fesselnd, wenn auch nicht bis zum Schluss. Trotzdem ist es eine
lebendig beschriebene Geschichte.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 30. Mai 2008 2008-05-30 16:47:25