Eine neue Fantasyserie bedeutet manchmal leider auch der x-te Aufguss bereits
allzu bekannter Elemente, von edlen Helden, dumpfen Bösewichtern und einem
vorhersehbaren Ende. Für die absolute Gegenrichtung stehen Autoren wie
Steven Erikson,
George R. R. Martin oder
R. Scott Bakker, die mit
überzeugenden Charakteren, hervorragend ausgearbeiteten Plots und gutem
Erzählstil auftrumpfen können. Der hier vorgestellte Roman ist der erste von
Joe Abercrombie. In den USA und Großbritannien wurde er mit viel Lob
aufgenommen, wie auch die folgenden beiden Bände der Trilogie
("Feuerklingen" ["They are hanged"] sowie dem gerade
erschienen "Last Argument of Kings").
"Kriegsklingen" (im Original "The Blade itself") spielt in
einer Fantasywelt, die auf den ersten Blick kaum wie eine solche wirkt. Magie
existiert kaum noch und wird von den meisten Menschen als Märchen aus
vergangenen Zeiten abgetan. Zentrum der Handlung in "Kriegsklingen"
sind Geschehnisse sowohl in der Hauptstadt der "Union" (einem in
Kriegen geformten Königreich, formal regiert vom Hochkönig, der jedoch kaum
noch seine Sinne beisammen hat), in Adua, als auch im hohen Norden.
In Adua geht der Inquisitor Sand dan Glokta (das "dan" bedeutet adlige
Herkunft) seiner "Beschäftigung" nach - was in seinem Fall bedeutet,
dass er Personen, die im Verdacht stehen gegen die Gesetze der Union verstoßen
zu haben, foltert. Und Glokta ist hervorragend bei dem was er tut. Nun nur noch
ein Krüppel, der nichts Festes beißen und sich nicht ohne große Schmerzen
fortbewegen kann, war er nur wenige Jahre zuvor ein gut aussehender und
verwegener Offizier. Im Krieg gegen das Imperium von Gurkhal wurde er aber
gefangen genommen und durfte erst nach zwei Jahren, die geprägt waren von
permanenter Folterung, wieder in die Union zurückkehren. Die Jahre in den
Kerkern des Imperators von Gurkhal haben ihn jedoch zu einem Experten in Sachen
Folter werden lassen. Es gibt niemanden, den er nicht zum Sprechen bringen kann.
Dabei empfindet Glokta keineswegs Freude an dem, was er tut. Vielmehr wünscht
er sich, lieber vor Jahren schon umgekommen zu sein, wenngleich er dennoch seine
Aufträge ernst nimmt und immer versucht, seinem unberechenbaren Vorgesetzten
einen Schritt voraus zu sein. Als dieser ihm befiehlt, die bekannte
Tuchmachergilde zu Fall zu bringen, macht sich Glokta ans Werk, was der Beginn
nicht vorhersehbarer Geschehnisse ist.
Ebenfalls in Adua bereitet sich der Hauptmann Jezal dan Luthar auf das große
Fechtturnier vor, das einer der Höhepunkte in der Hauptstadt ist. Obwohl Jezal
viel lieber sein Geld in Wirtshäusern ausgeben würde, muss er einen harten
Drill über sich ergehen lassen. Als ihn sein direkter Vorgesetzter Major West
darum bittet, sich etwas um seine Schwester Ardee zu kümmern, kommen sich Jezal
und Ardee näher, als dies West lieb ist - obwohl doch Jezal als Adliger eher
voller Verachtung für alle Bürgerlichen ist.
Weit entfernt von Adua trifft der Barbar Logen, der meistgefürchtete Mann des
gesamten Nordens, auf den Magier Bayaz, der ihn mit auf eine lange Reise nimmt,
über dessen Gründe sich Bayaz jedoch zunächst ausschweigt. Logen, dessen
Hände mit Blut besudelt sind, nimmt die Gelegenheit wahr, um einen neuen Anfang
zu machen. Dabei ist gerade jetzt der ganze Norden in Bewegung geraten, nachdem
Bethod, einst Freund, nun jedoch erbitterter Feind Logens, alle Stämme
vereinigt hat und nach Angland aufbricht, einem der Teilreiche der Union.
Gleichzeitig besteigt in Gurkhal ein neuer Imperator den Thron und plant bereits
einen neuen Krieg mit der Union.
Der Auftakt zu Abercrombies Trilogie ist nicht geprägt von allzu großen
Überraschungen. Die Handlung entwickelt sich allmählich, bietet aber doch
einige Höhepunkte. Daneben ist es wirklich vergnüglich, die Handlung um Jezal
und das Turnier zu verfolgen. Absoluter Glanzpunkt ist Glokta, der zynische,
äußerlich wie innerlich gebrochene, aber dennoch intelligente und wachsame
Inquisitor. Nur zu gerne würde er sein altes Leben wiederhaben. Mehr als einmal
fragt er sich, weshalb er überhaupt die Sachen tut, die er tut. Teils äußerst
humorvoll beschreibt Abercrombie diesen Teil des Plots, wenngleich auch die
Geschichte um Logen sehr interessant ist.
Fazit
Abercrombie vernachlässigt im vorliegenden Roman m.E. etwas das
"Worldbuilding". Keine Karte und kein Glossar ist enthalten, auch
ansonsten blickt nur an wenigen Stellen etwas über die Geschichte dieser Welt
durch, die nicht wirklich vergleichbar ist mit den durchdachten Konstrukten bei
Erikson, Martin oder Bakker. Viele (vor allem aber teils unnötige)
Kraftausdrücke schmälern auch etwas den Stil, der nicht an Martin, Erikson
oder Bakker heranreicht, die ebenfalls bezüglich Handlung und teils bei den
Charakteren vor Abercrombie liegen. Dennoch ist das Werk gut zu lesen, vor allem
in den nachfolgenden Bände steigert sich Abercrombie teils ganz beträchtlich.
Kurz: Es lohnt sich, das Buch zu lesen, wenngleich auch eher als Einführung zu
den beiden anderen Büchern der Trilogie. Man sollte keinen Meilenstein
erwarten, aber doch eine unterhaltsame Lektüre, wenn man etwas mit Fantasy
anzufangen weiß. Abercrombie ist kein neuer Martin oder Erikson, aber zum
Glück versucht er auch, seinen eigenen Stil zu finden.
Eine Randbemerkung zum Titel und zum Cover des Romans: Der Titel
"Kriegsklingen" mag noch irgendwie nachvollziehbar sein zum
Originaltitel "The Blade itself" (wie auch die nachfolgenden Titel
angelehnt an ein Zitat, in diesem Fall aus der Odyssee), doch spätestens beim
nachfolgenden Roman "Feuerklingen" bemerkt man die etwas einfallslose
Marketingstrategie. Das Cover selbst entbehrt auch einem Zusammenhang mit der
Handlung. Man mag sich darüber streiten, ob nicht eine andere Wahl besser
gewesen wäre. Die Übersetzung des Textes selbst ist hingegen ganz ordentlich
gelungen.