In seiner groß angelegten "Philosophie der Erlösung" des Jahres 1876
schreibt der Autor Philipp Mainländer in einem längeren Kapitel zur
Metaphysik: "Die immanente Philosophie, welche im Bisherigen nur aus zwei
Quellen: der Natur (...) und dem Selbstbewusstsein, geschöpft hat, betritt
nicht ihre letzte Abteilung, die Metaphysik. (...) In der Metaphysik stellt sie
sich einfach auf den höchsten immanenten Standpunkt. Sie hat seither den für
jede Disciplin höchsten Beobachtungsort, (...), eingenommen. (...) Sie steht
über allen Disciplinen, d.h. sie blickt über alle Welt und faßt alles in
einen Gesichtspunkt zusammen." (Philipp Mainländer, Philosophie der
Erlösung, Band 1, S. 319) Er sieht hier die Metaphysik als Modus der immanenten
Philosophie, wobei aber gerade der Bereich des Metaphysischen einen höheren
Standpunkt in sich birgt, der den weiteren Disziplinen übergeordnet ist und auf
den immanenten Bereich zurückwirkt. In der Philosophie nimmt der Bereich der
Metaphysik eine wegweisende Rolle ein. Der Mensch, geworfen in das immanente
Dasein, denkt seit jeher potentiell metaphysisch, das nicht sichtbare. Es ist
dies der Bereich des Philosophischen schlechthin, denn wer wagt ihn noch
konsequent zu denken?
Und so kommt dann auch schon schnell der Wesensunterschied zwischen Philosophie
und Naturwissenschaft dazu. Kant verstand beide als Vernunfterkenntnisse, reine
Vernunfterkenntnis aus bloßen Begriffen heißt reine Philosophie, oder
Metaphysik, wohingegen wird die Vernunfterkenntnis, welche nur auf der
Konstruktion der Begriffe, vermittelst der Darstellung des Gegenstandes in einer
Anschauung a priori, Naturwissenschaft genannt. So zu nennende Naturwissenschaft
setzt also mit Kant Metaphysik voraus, denn Gesetze und Prinzipien der
Notwendigkeit dessen, was zum Dasein gehört, beschäftigen sich mit einem
Begriffe, der sich nicht konstruieren läßt, weil Dasein in keiner Anschauung a
priori dargestellt werden kann. Kant nun zerstört zwar den dogmatischen
Wahrheitsanspruch der Metaphysik, verteidigt aber zugleich die Metaphysik - er
erkennt das metaphysische Bedürfnis des Menschen an. Den beiden Philosophen
also geht es - beispielhaft für die Masse der Philosophen - grundlegend um den
metaphysischen Standpunkt als höherem Aussichtspunkt und als Standpunkt aus
Notwendigkeit, der in Zeiten der Massenpolitik und der Interessenverbände
verloren ging und mit ihm die Innerlichkeit, Formkraft und Beseelung des
Menschen.
Das vorliegende Buch befasst sich mit der Rolle der Metaphysik in der Gegenwart.
Es ist ein Werk, welches damit ein Feld betritt, das nur noch einzelne - müden
Schrittes - betraten. - Und dies, obwohl das nicht notwendig sein müsste.
Eine wesentliche Entwicklung der Neuzeit ist die Entstehung eines universalen
und dualen Wissenschaftssystems, in dem sich Natur- und Geisteswissenschaften
den Erkenntnisstoff aufteilen. Die Naturwissenschaft entkoppelte sich von der
Metaphysik, meinte, ursprungslos zu sein. Deshalb scheint auf der einen Seite
keine Notwendigkeit mehr zu bestehen, am Begriff der Metaphysik festzuhalten,
andererseits nimmt angesichts der immer drastischer werdenden Komplexitäten der
Wirklichkeiten die Tendenz zu, fächerdurchgreifende Fragen zu entwickeln.
Diese Art des philosophischen Fragens, welches eben den omnipräsenten
Zusammenhängen nachspürt und wissenschaftlichen Einteilungen oder
Objektivitätskriterien nicht mehr stur folgt, diese Art des Fragens und Denkens
gilt im vorliegenden Buch als metaphysisch. Es läßt damit diesem Begriff,
einem Begriff, den nur noch Einzelne konsequent ernst nahmen, neue Bedeutung
zukommen und zeigt, wie einsam der Mensch wäre, ohne Metaphysik. Diese wird
bewußt wieder in den Mittelpunkt gerückt. So ist nun auch eine Kernaussage des
Werkes: "Das "metaphysische Bedürfnis" des Menschen ist aber
gerade dadurch bestimmt, über diese Einsamkeit hinauszustreben, einen Ort
begründen zu wollen, der den Menschen über die Absolutheit seiner Kontingenz
hinaushebt." (164) Metaphysik ist damit zutiefst menschlich, eine
Fähigkeit menschlichen Reflexionsvermögens, die der Primat der
Naturwissenschaft und des Pragmatismus nicht hinfortdefinieren kann.
Fazit
Ein Buch, welches gewiss nur Philosophen so richtig zu verstehen befähigt sind.
Die Beiträge dieses Sammelbandes plädieren dafür, den Begriff der Metaphysik
eher von seiner Fragetendenz her zu verstehen, als ihn zirkulär von solchen
Themen her zu bestimmen, denen von vornherein die Auszeichnung einer
Ganzheitlichkeit zugedacht worden ist. Metaphysik wird dadurch wieder offener,
vor allem ergebnisoffener. Sie wird auf jeder Seite endlich wieder ernsthaft
gedacht.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
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veröffentlicht am 19. April 2008 2008-04-19 15:19:40