Der universelle Konformismus war seit jeher dem sozialen Typus des Dandys ein
Dorn im Auge. Der Dandy will gefallen. Dennoch provoziert er mit dem, was er
sagt und mit dem, was er angezogen hat, um den universellen Konformismus zu
brechen. Er ist ein Mensch der Gesellschaft, auch wenn er sie verachtet und mit
einer solchen Eitelkeit übertüncht, die zugleich Ausdruck innerer
Sensibilität ist.
Zu diesem Typus gehört Barbey d’Aurevilly, geboren 1808 in
Saint-Sauveur-le-Vicomte (Manche). Mit Melancholie und ätzendem Spott reagierte
der Fortschrittsskeptiker auf den Untergang der christlich-feudalen Welt und auf
die beginnende Moderne. Seine nun endlich vorliegenden Aphorismen sind
provozierend und unzeitgemäß. Seine Bosheiten, Spitzfindigkeiten und
Klugheiten führen uns einen Mann vor Augen, bei dem die Leidenschaften immer
noch vor den Überzeugungen kamen, er deshalb stets eher Polemiker als Christ
war, obwohl er gerade damit als entschiedener Christ lebte. Zeitgenossen sagten
über ihn: "Er schreibt wie ein Engel oder wie ein Teufel." (132) -
Man erinnere sich an die bemerkenswerten Worte Ernst Jüngers über Leon Bloy,
Bloy sei ein Zwillingskristall aus Diamant und Kot.
Die Konvergenz des sich Ausschließenden scheint Grundvoraussetzung für das
Wesen des Genius zu sein. Barbey nun, der selbst aus christlichem Glauben heraus
der Leidenschaft des Duellierens offen gegenüber stand, kann als solcher
gelten. Er begeisterte sich für die Sünde und tat damit seinen Glauben kund -
durch Lästerung über die Allgemeinplätze, die er so verachtete. Und das
machte diesen Lästerer vor der Hölle sicher, denn in Vielem hatte er einfach
recht:
"Bücher muß man mit Büchern bekämpfen, wie Gifte mit Gegengiften;
würde unsereins sonst schreiben?" (19)
"Nichts zeigt die Nichtigkeit des Lebens besser als der Tod großer
Menschen und die Leichtigkeit, mit der die dumme Welt auf sie verzichten
kann." (33)
"Es gibt gelegentlich eine Art Gewandtheit in der Unbeholfenheit, die, so
scheint mir, anmutiger ist als die Anmut selbst." (82)
Barbey schreibt zum Zwecke eigener Konfliktbewältigung mit der Konsequenz eines
apolitischen Denkens, welches darin gerade politisch ist und sich vom
Apolitismus des Mitläufers absetzt. Den außengeleiteten Verhaltensmustern und
der Apathie des Mitläufertums als Modifikation von Verfall, von diaphtora,
setzt er die Medizin, vielmehr das Gift der maßlosen Polemik entgegen, deren
Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit in jedem Aphorismus dennoch zu spüren ist.
Witzige, originelle, treffende Formulierungen sind Barbey d’Aurevilly nur so
zugeflogen. Der große Dandy und Plauderer unterhielt ganze Salons damit. Einen
Eindruck von dieser Gabe vermitteln jene Aphorismen, die hier zum ersten Mal auf
Deutsch erscheinen.
Sie kreisen um seine großen Themen: Liebes- und Lebenslügen, gesellschaftliche
Codes und Abgründe, Dandytum, die Einsamkeit des Künstlers, seine
Selbstinszenierungen und seine Masken, die das Elend der Lebensfristung
ästhetisch aufzuwerten trachteten. Barbey mußte jede Woche ein Buch lesen und
besprechen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er nannte dieses "in
Konklave gehen" - und trotzdem wurde sein Lohn gekürzt. Dennoch, in seiner
Kraft, widrigen Schicksalsschläge standzuhalten, die sich als Spott tarnte, lag
sein Lebensrezept.
Krankhafte Empfindlichkeit verbarg sich hinter kühnen Paradoxa, Sinn für
Romantisches und die Liebe zu seiner Mutter hinter argwöhnischer Menschenscheu.
Die Waffe dieses Unangepaßten blieb bis zuletzt geladen; es war das Wort. Dies
war das Ausdruckmittel eines menschgewordenen Idealismus, der sich vornahm, sich
nicht zu ergeben und dies bis zuletzt im Jahre 1889, als das hochmütige Gesicht
von Leid gezeichnet war, auch nicht tat.
Fazit
Man fand Barbey am Rande des Lebens und mitten im Leben, er inkludierte alles,
denn irgendwohin mußte schließlich die ästhetische Intelligenz abgewandert
sein, um ihrem Wesen gemäß zu leben und zu überleben.
Vorgeschlagen von Daniel Bigalke
[Profil]
veröffentlicht am 06. April 2008 2008-04-06 11:51:40