Alfons und Moritz haben eine geheime Botschaft erhalten. Der eine hat die
gläserne Kugel gefunden, der andere den Zettel mit dem Text. Alfons lebte
bisher unter dem Zwang, sich möglichst unauffällig zu verhalten, um nicht den
Zorn seines gewalttätigen Vaters auf sich zu ziehen. Alfons war stets darauf
bedacht, nach außen den Schein einer normalen Familie zu wahren; denn niemand
sollte von seiner schwieriger Situation wissen. Malwine, der der kleine
Lebensmittelladen gehört, kennt Alfons Probleme, bezahlt ihn für kleine
Hilfstätigkeiten im Laden - und sie tratscht nicht. Moritz ist dick,
unsportlich und kurzsichtig. Die Schule ist für ihn jeden Tag von neuem ein
Spießrutenlaufen; "dicker Maulwurf" noch eine der harmloseren
Bemerkungen, die Moritz hinterher gerufen werden. Moritz kann sehr phantasievoll
sein und sich beim Lesen so in ferne Welten versenken, dass ihm die Rückkehr in
die Realität schwer fällt.
Alfons und Moritz hatten sich bisher abwartend beäugt. Dass jeder von ihnen
einen Teil einer geheimen Botschaft erhalten hat, kann kein Zufall sein. Sie
wurden auserwählt, sieben Schlüssel zu finden, um einen Kristall mit Energie
zu versorgen, der das Tor zwischen unserer Welt und Torrabaans Welt öffnen
kann. Die Buben packen die Rucksäcke und starten zu ihrer geheimnisvollen
Mission. Aus Alfons wird Fons, aus Moritz Motz. Torrabaans Auge, die Glaskugel,
leitet die beiden aus der Stadt hinaus in den Wald, bis der Weg an einer
Felswand nicht mehr weiter geht. Aus einem alten Schuh taucht ein Myrf auf, ein
schratiges Wesen mit sehr eigener Ausdrucksweise, das den Buben weiter hilft.
Außer Myrf treffen die beiden Jungen auf das eine oder andere Zottelwesen, auf
sprechende Baumwurzeln, Gnome, die auf dem Wasser laufen können, und auf einen
weißen Wolf. Die Welt hinter Tamor, dem Tor, wirkt so merkwürdig, dass Motz
sich fragt, ob die beiden tatsächlich in einer anderen Welt gelandet sind, oder
ob alles ein schräger Traum ist, weil ihnen jemand Drogen in die Cola getan
hat. Unerwartete Unterstützung erhält das Zweierteam durch die
bemerkenswerten Fähigkeiten der 5-jährige Tessi. Nachdem Tessi aus unserer
Welt hinter das Tor gelockt worden war, schloss sich das Tor und die Kleine
konnte nicht mehr zurück. Tessi kennt sich aus, sie weiß was man essen kann
und sie verhält sich in mancher Situation diplomatischer als Motz und Fons.
Doch ehe die Kinder ihre Aufgabe hinter dem Tor erfüllen können, taucht
Tharator auf, Torrabaans Bruder und Widersacher. Er will die Kinder wie
Schachfiguren für seine Zwecke einsetzen und versucht, Motz und Fons durch
Drohung und Schmeichelei auseinander zu bringen. Das Geheimnis der sieben
Schlüssel deckt Britta Hellmann in einem überraschend furiosen Finale auf.
Alfons und Moritz verbindet eine ungewöhnliche Freundschaft. Ihr anstrengendes
Abenteuer überstehen die ungleichen Freunde, ohne je den Humor zu verlieren.
Besonders für den untrainierten Moritz ist die Suche nach den sieben
Schlüsseln eine Herausforderung. Die Charakterisierung des übergewichtigen
Moritz finde ich überzeichnet; er ist etwas zu unselbständig, zu unpraktisch,
zu verwöhnt. "Ich bin einer, der viel liest, weil er keine Freunde hat
und keiner mit ihm spielen will. Und wer viel liest, weiß... eine ganze
Menge". Dass die Autorin Moritz Lesen als Frust-Tätigkeit beschreibt, wird
Müttern, Lehrerinnen und Bibliothekaren nicht gefallen. Im
Playstation-Zeitalter wirkt diese Begründung wenig realistisch und will nicht
so recht zu Moritz Fähigkeit passen, völlig in einem Buch zu versinken. Die
explizite Schilderung von Moritz Defiziten stellt ihn auf Kosten von Alfons zu
stark in den Mittelpunkt. Der Spannungsbogen der phantastischen
Abenteuergeschichte fällt nicht sehr kräftig aus. Der innere Antrieb der
Buben, ihre Aufgabe zu erfüllen, scheint schwach ausgeprägt zu sein. Man
erhält den Eindruck, dass sie sich von den Ereignissen treiben lassen. Fons
stellt nüchtern fest: "Wir haben schon so einiges erlebt, aber geleistet
haben wir bis jetzt gar nichts, wir haben nichts und niemanden gerettet, nichts
geändert und niemanden getroffen, der in Not ist und dringend unsere Hilfe
braucht."In ihren Beschreibungen greift die Autorin leicht einmal in die
Eimer mit der schwarzen oder oder der weißen Farbe. Obwohl ich einige Details
des Buches kritisch sehe, zeichnet es sich im Ganzen für meinen Geschmack
besonders durch sein Szenario, seine Figuren und deren Sprache aus.
Fazit
Britta Hellmann hat für ihre fesselnde Geschichte eine phantastische Welt
voller exzentrischer Waldbewohner geschaffen, die jeder eine eigene Stimme und
Sprache haben. Die mitreißenden Dialoge des Buchs quellen über von unbändigem
Wortwitz und verrückten Anspielungen. "Torrabaans Auge" vorzulesen,
ist ein besonderes Vergnügen, bei dem sich die Zunge des Vorlesers leicht
zwischen all den Stabreimen verhaken kann.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 03. April 2008 2008-04-03 19:13:26