Die 14-jährige Talia wächst bei einer Pflegemutter auf; denn ihre Mutter
Netacari starb bei der Geburt ihrer Tochter. Talia lebt bei Vebromara und hilft
ihr bei der Arbeit in der Druidenschule. Als es nach dem Überfall einer
Söldnertruppe zahlreiche Verletzte in der kleinen Vindeliker-Siedlung gibt,
entdeckt Talia, dass sie sich in die Seele der Verletzten einfühlen kann. Talia
ist zunächst schockiert von ihrer neu entdeckten Gabe. Kurz vor ihrem Tod
fordert Vebromara Talia auf, in "Alte-Stadt", dem Oppidum Manching,
nach ihrer eigenen Sippe zu suchen; denn nach Vebromaras Tod wird Talia keine
Familie mehr haben. Die Rückblende auf den Tag von Talias Geburt zeigt, wie
Talias Vater Caran Vebromara mit Geld und Gewalt dazu bringen wollte, den
mutterlosen Säugling zu ertränken. Doch Vebromara täuschte Caran, nahm das
Geld und zog das kleine Mädchen selbst auf.
Zufällig wird Talia Zeugin eines Gesprächs, in dem der Druide Ientus
ankündigt, mit ihr ein Kind zu zeugen; denn er erhofft sich, dass Talia ihre
Seher-Fähigkeit vererben wird. Talia ist nun entschlossen, die Siedlung zu
verlassen. Ihre Liebesbeziehung mit dem Söldnerführer Atharic, der für Talias
leiblichen Vater Caran arbeitet, lässt Talia Atharics "Seele sehen"
und konfrontiert sie mit ihrer Seher-Rolle, in die sie noch nicht völlig hinein
gewachsen ist. Mit Atharic gelangt Talia endlich ins südlich gelegene
Alte-Stadt, wo sie in Carans Sippe Arbeit als Haushälterin findet. Catuen,
Carans zweite Frau, bringt nach jahrelanger kinderloser Ehe viel zu früh ihre
Tochter Samis zur Welt - Talias Halbschwester. Talias Fähigkeiten als
"Seelenwächterin" können ein Grund gewesen sein, dass das zu früh
geborene Kind für alle überraschend überlebt.
"Man muss sehen, um führen zu können" sagt ein alter Druide. Für
Carans Führungsanspruch und Ientus Pläne ist Talia noch immer ein
entscheidendes Mittel zum Zweck. In Carans Haushalt macht Talia wieder die
Erfahrung, dass ihre Person nur als Werkzeug im Kampf um die Macht interessiert.
Roueca, Carans Schwester will ihren Bruder entmachten, Talia soll Rouecas Zielen
als Spionin dienen und Informationen aus Carans Haushalt beschaffen. Der Druide
Ientus ist nach wie vor an Talias Seher-Fähigkeiten interessiert - er will sich
in Alte-Stadt zum Hohedruiden wählen lassen - und konkurriert mit Caran um die
Macht über die junge Frau.
Die Handlung des Romans spielt circa 120 vor Christus im Gebiet zwischen dem
Altmühltal, dem Oppidum Kelheim und dem Oppidum Manching (Alte-Stadt). Aus
dieser Zeit lassen sich die Figur des Kimbern-Königs Boiorix und die Schlacht
von Noreia 113 vor Christus durch Quellen belegen. Weibliche Druiden wird es zu
dieser Zeit nicht gegeben haben. Da heute nur Funde von Ausgrabungen existieren
- schriftlichen Überlieferungen hinterließen die Vindeliker nicht - wissen wir
nicht, ob und wie Frauen damals Seher-Fähigkeiten einsetzen konnten.
Talia treffen wir im Prolog zuerst als junge Erwachsene, die von ihren gerade
entdeckten Druiden-Fähigkeiten noch verwirrt ist, später als 19-Jährige
während ihrer Begegnung und Beziehung mit dem jungen Atharic und nach einem
weiteren Schnitt als Mutter einer schon 7-jährigen Tochter. Talias
Auseinandersetzung mit ihren Seher-Fähigkeiten als Teil ihres Erwachsenwerdens
spielt im Buch eine geringe Rolle. Betont wird ihr Hass auf ihren Vater, der
ihre Tötung befahl; über ihre Mutter, von der sie ihre Fähigkeiten vermutlich
erbte, macht Talia sich kaum Gedanken. Wenig erfahren die Leser über den Alltag
in Carans Haushalt, über Rolle und Aufgaben der einzelnen Personen. Talia
scheint wenig zu arbeiten und kann viel Zeit mit Atharic verbringen. Die
Beziehung der beiden wird in drastischen Sex-Szenen geschildert. Einen
bedeutenden Teil des Buches nimmt die Schilderung des Schlachtengetümmels beim
Kampf um Alte-Stadt ein. Es gelingt der Autorin nicht konsequent, sich von ihrer
Sicht und ihrem Informationsstand der Neuzeit zu trennen und in einer der
beschriebenen Epoche angemessenen Sprache aus der Perspektive der Vindeliker zu
erzählen.
Fazit
"Die Druidin" hat sprachlich und in den historischen Details meine
Erwartungen an "ein bewegendes Frauenschicksal" nicht erfüllt.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 22. März 2008 2008-03-22 11:33:28