Im 35. Jahrhundert existiert die uns bekannte Welt längst nicht mehr; sie wurde
bereits vor Jahrhunderten in einem 60-Minuten-Krieg verwüstet. Es herrscht das
Prinzip des Städte-Darwinismus. London (eine Konstruktion ähnlich einer 600m
hohen Hochzeitstorte mit der St. Pauls Kathedrale als elegantem Abschluss)
bewegt sich auf Raupenketten durch die Landschaft und stillt den Rohstoff- und
Energiehunger der Stadt beim Jagen und Verschlingen kleinerer Orte. Ein
verschlungener Ort wird ausgeschlachtet, seine Bewohner im gefräßigen London
eingebürgert. Bis auf Gegenstände, die gelegentlich von Archäologen
gefunden werden, scheint von den Kenntnissen vergangener Jahrhunderte nichts
überliefert zu sein. Die Bedeutung dieser archäologischen Funde kann von der
Zunft der Historiker nur selten geklärt werden. Außer Arbeitern, die die
Verwertung der verschlungenen Orte steuern, und Historikern gibt es noch die
wenig angesehene Zunft der Ingenieure. Diese Zunft hat es zum allgemeinen Ärger
noch nicht fertig gebracht, das durch die Landschaft rumpelnde Gebilde so zu
federn, dass seine Bewohner nicht seekrank werden. Die Historiker haben sich mit
ihren Funden und Staubwedeln in die Museen der Stadt zurückgezogen und halten
sich selbst für die überlegene Zunft. Im Naturkundemuseum erhält der
elternlose Tom Natsworthy als Lehrling dritter Klasse eine Ausbildung zum
Historiker.
Als Hester Shaw versucht, den leitenden Historiker Taddeus Valentine zu töten
und Tom ihm zu Hilfe kommen will, fällt der Historiker-Lehrling von der Stadt
herab ins Niemandsland. Hester macht Valentine dafür verantwortlich, dass ihre
Eltern vor Jahren als Staatsfeinde ermordet wurden. Sie selbst überlebte den
Anschlag schwer verletzt. Gemeinsam mit Hester wird Tom in einen gnadenlosen
Vernichtungskrieg um die Vorherrschaft der Stadt auf der Erde verwickelt. Unter
der Führung ihres fanatischen Oberbürgermeisters Crome zieht London alle
Register, um Tom, Hester und eine Gruppe von Anti-Wanderungs-Aktivisten zu
vernichten. Auch Valentines Tochter Katherine will das Geheimnis um Hester
enträtseln. Dabei macht sie sich Oberbürgermeister Crome zum Gegner.
Katherine erfährt, dass ihr Vater nicht der harmlose, neutrale Wissenschaftler
ist, für den sie ihn bisher gehalten hatte. Während Tom sich unter Hesters
Führung in der Welt außerhalb Londons bewähren muss, leisten hunderte von
Kilometern weiter östlich in der Mauerstadt ein paar Unentwegte Widerstand
gegen die Vorherrschaft der Städtefresser.
Alle Bände der Reihe "The Hungry City Chronicles" (Mortal Engines,
Predator's Gold, Infernal Devices und A Darkling Plain) liegen schon auf
Englisch vor; Mortal Engines erschien zuerst 2003 bei Anrich.
Die Serie wird in 4 Bänden neu aufgelegt
Mortal Engines - Krieg der Städte
Fazit
Im ersten Band seiner Serie führt Philip Reeve uns in eine lebensfeindliche
post-apokalyptische Welt. Der Moloch London verfolgt seine Gegner erbarmungslos;
Tom, Hester und Katherine müssen manch lebensgefährliche Situation meistern.
Reeves Charaktere erhalten Gelegenheit, die sozialen Folgen und die
Widersprüche des Systems zu durchschauen. Auch wenn die Welt schon fast in
Scherben liegt, pflegen Reeves Protagonisten ihre britische Lebensart und wissen
eine gute Tasse Tee zu schätzen. Die Handlung ist spannend; technische Details
von Luftschiffen, amphibischen Städten und Maschinenkriegern werden liebevoll
ausgearbeitet. Durch die Bewegung Londons in östliche Richtung richtet der
Autor die Aufmerksamkeit seiner Leser auf bisher unbekannte Völker und weckt
Neugier auf die Folgebände.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 10. Februar 2008 2008-02-10 11:51:23