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Frank Janning, Katrin Toens: Die Zukunft der Policy-Forschung. Theorien, Methoden, Anwendungen

Die Zukunft der Policy-Forschung. Theorien, Methoden, Anwendungen

von Frank Janning, Katrin Toens
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-531-15725-2

Preis: 59,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 24. Dezember 2024]
Daß Policy-Forschung bedeutet, die Untersuchung der Inhalte politischer Regelungstätigkeit in den Einzelbereichen der Politik, den Politikfeldern (Policies), vorzunehmen, braucht man einem heutigen Politikwissenschaftler nicht zu erzählen. Trotzdem hat sich in diesem Forschungsbereich viel getan, was dazu führen kann, daß der ausgebildete Politologe in diesem Bereich nicht immer auf der Höhe der Zeit ist. Die Policy-Forschung hat sich durch theoriegeleitete Politikfeldanalysen und durch die vergleichende Staatstätigkeitsforschung bedeutend weiterentwickelt und ein eigenständiges Set an Methoden und Forschungsansätzen hervorgebracht.

Mit zunehmender Entwicklung wird sich deshalb innerhalb der Policy-Dimension, welche die inhaltlich materiellen Aspekte der Politik erforscht und die Gesamtheit der Bestrebungen, gesellschaftliche Probleme zu bearbeiten, beobachtet, ein gewisser Binnenpluralismus des Forschungszweiges ausprägen. Das heißt, er erforscht nicht nur, wie ursprünglich, wie gute Politik zu machen sei, im Sinne von effektiven Lösungen für gesellschaftliche Probleme, sondern zunehmend ist er auch besonderen Herausforderungen ausgesetzt: In der Politikfeldanalyse stehen sich nunmehr quantitative und qualitative Forschungsansätze sowie erklärende und verstehende Wissenschaftskonzeptionen diametral gegenüber.

Damit sind wir beim Thema des vorliegenden Buches. Dieser erwähnte Methoden-Mix wurde nur selten praktiziert, wird aber notwendiger. Es bestätigt sich damit einmal mehr, daß die Bewertung der Policy-Dimension und ihre öffentliche Relevanz systemimmanenten Konjunkturen unterliegt und neue Notwendigkeiten auftauchen. Weniger Berücksichtigung fand bisher der Tatbestand einer transnationalen bzw. sektoralen Verflechtung von Politikfeldern. Dieses Buch blickt deshalb ausdrücklich in die Zukunft des politologischen Forschungszweiges. Es stellt heraus, woran sich seine wissenschaftlichen Ziele orientieren sollten, wenn er einer pseudowissenschaftlichen Wissens- und damit Papiermaximierung entgehen will. Die Beiträge des vorliegenden Bandes versuchen für diese Herausforderungen und Fragestellungen Antworten zu formulieren, und sie tun dies recht tiefgründig und vollständig, manchmal gar etwas zu verklausuliert. Man sollte deshalb dem Leser des Buches unterstellen, daß er bereits thematisch bewandert ist, wie sonst sollte er die Policy-Dimension in die Zukunft hinein weiter reflektieren können, wenn er nicht um die bisherige Entwicklung weiß.

Die Policy-Analyse diskutiert verstärkt Ideen und Wissen als Bestimmungsgröße der Politikentwicklung - Ideen üben Einfluß aus. Organisationen und Institutionen bilden gemeinsame Überzeugungskoalitionen. Es geht also um metaphysisch-kognitive Strukturen, welche der politologische Empiriker zunächst geringschätzen würde. Sprich: Es geht um Ideen, Wissen, Deutungsmuster und Interpretationsrahmen. Das Input-Output-Schema spielt dabei die bedeutende Rolle: Forderungen einzelner Bürgergruppen und Verbände bilden den Input des Systems. Dieses erzeugt daraus einen legislativen Prozeß der Entscheidungen (Gesetze), die als Output der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Theoretisch entsteht ein Politikzyklus - beginnend mit der Problemdefinition, der Politikformulierung, der Implementation und endend mit der Evaluation oder Neuformulierung von Inhalten. Man schaue sich die Internet-Seiten des Deutschen Bundestages an und lese die Drucksachen, Anträge, Vorschläge, parlamentarischen Prüfungen, Beschlussempfehlungen und Beschlussempfehlungsablehnungen um zu erkennen, daß es einer komplexitätsreduzierenden Wissenschaft in diesem bereich bedarf.

Die Autoren des Buches, u. a. Dr. Frank Janning, Wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz, und Dr. Katrin Toens, Wissenschaftliche Assistentin am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg, gehen über den theoretisch gewohnten Rahmen eben dieser Wissenschaft hinaus. Im Zuge einer zukünftigen Betrachtung der Policy-Dimension stellt das Buch vorrangig die dringender werdende Lösung der Aufgabe einer typisierenden und vergleichenden Betrachtungsweise hervor, betont die transnationale Verflechtung und die Interdependenzen einzelner Politikfelder. Es geschieht damit genau jenes, was längst überfällig ist. Leider mangelt es an einem Stichwortverzeichnis, in dem zentrale Begriffe zu finden sind. So muß sich der Leser durch die einzelnen Beiträge arbeiten und gibt sich selbst der Gefahr preis, sich in der Komplexität des Buches ebenso zu verstricken. Dennoch kann dieses Werk schon als thematisches Nachschlagewerk fungieren, dem in Zukunft im entsprechenden Bereich der Status eines Standardwerkes zufallen mag.

Zwar wird die Policy-Forschung in Deutschland im Gegensatz zu den USA stiefmütterlich behandelt, sie hat aber in der wissenschaftlichen Politikberatung ihren Posten erringen können - als zentrale Subdisziplin der Politikwissenschaft. In Anbetracht dessen, daß politische Entscheider und Berater tendenziell in Zukunft zunehmend Policy-Lösungen als Option diskutieren werden, die von der herkömmlichen Politikfeldanalyse und Implementationsforschung sonst als kontextabhängig oder folgenlos eingestuft wurden, ist das vorliegende Buch ein Muß. Hervorzuheben ist eine enthaltene wichtige Erkenntnis im ersten Hauptteil des Bandes über "Theorieentwicklung und Forschungsperspektiven" (23ff.), wonach Politik eben nicht nur Probleme löst, sondern auch erzeugen kann. Eine ehrliche Aussage!
Fazit
Wurde sie in der Policy-Forschung bisher verdrängt, so trägt dieses Buch doch den neuen Herausforderungen der aktuellen policy-analytischen Debatte Rechnung und ist vor allem im Hinblick auf die Europäisierung der Politikfelder - Stichwort vergleichende Staatstätigkeitsforschung - sehr begrüßenswert.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 26. Januar 2008

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