"Stimulate your Senses" textete eine Werbeagentur als Werbespruch
für den Loewe-Konzern. "Stimuliere deine Sense" sollen einige Kunden
darunter verstanden haben. Nur 25% der werberelevanten Zielgruppe zwischen 14
und 49 Jahren konnten den Satz ins Deutsche übersetzen. Werbeagenturen und ihre
Zielgruppen in Deutschland haben offenbar ein Kommunikationsproblem. Am Beispiel
von Werbesprüchen, deren Inhaltsleere sich hinter Anglizismen verbirgt,
entwickelt Wolf Schneider seine Kritik an der Verunstaltung der deutschen
Sprache. Er wettert dabei bewusst nicht über Begriffe aus anderen Sprachen, die
gemeinsam mit einem Gegenstand in den Alltag aufgenommen wurden (Kaffee, Wok,
Sauna). Es geht ihm um überflüssige Neuschöpfungen wie Service-Point, falsche
Übersetzungen, Vermischungen deutscher und englischer Bestandteile
(downgeloadet) und falsche Freunde, englisch klingende Bezeichnungen, die es im
Englischen nicht gibt. Geschickt befriedigt Schneider zunächst die nationale
Eitelkeit "Die Deutschen sind Weltmeister in der Schöpfung treffender
zusammengesetzter Substantive wie ‚Geisterfahrer’", "Deutschland
ist der zweitgrößte Buchmarkt der Erde; Deutsch liegt auf Platz 2 der
Sprachen, in denen im Internet kommuniziert wird". Trotzdem stellen wir
wie der Hase im Märchen "Der Hase und der Igel" fest, dass englische
Bezeichnungen immer schon geprägt sind, wenn wir gerade beginnen, über die
deutsche Bedeutung eines Begriffs nachzudenken.
Ist die Anglomanie der Deutschen allein wegen der schlechten Englisch-Kenntnisse
in Deutschland zu kritisieren? Nur 10% der Deutschen sprechen laut Schneider
passables Englisch, 60% können gar kein Englisch. Deutsche Wissenschaftler
würden sich im Ausland durch ihr simples Englisch und ihre schlechte Aussprache
blamieren. Der Zwang, in einer Fremdsprache zu referieren und zu publizieren,
behindere die Wissenschaft. Seine Zahlen zu mangelnden Englisch-Kenntnissen in
Deutschland belegt der Autor nicht. Skandalös finde ich weniger alberne
Werbeslogans als die Unfähigkeit des deutschen Schulsystems, innerhalb von 10
bis 13 Schuljahren Schülern sowohl gutes Deutsch als auch gutes Englisch
beizubringen. Dass sich 60% der Bürger einer der erfolgreichsten Exportnationen
der Welt nicht auf Englisch verständigen können sollen, ist einfach blamabel.
Schließlich erleben wir als Touristen in anderen Ländern, wie emsig dort
Geschäftsleute und in der Tourismus-Branche Beschäftigte Fremdsprachen lernen.
Schneiders Aufschrei "das kann niemand verstehen" empfinde ich als zu
rückwärts gewandt. Eine Benachteiligung von Senioren, Ostdeutschen und
Migranten durch die Dominanz der englischen Sprache will mir nicht einleuchten.
Luxemburger, Norweger oder Litauer schaffen es doch auch, außer ihrer
Muttersprache noch zwei weitere Sprachen zu lernen. "Lausiges Deutsch
führt zu lausigem Englisch" - wer schon in seiner Muttersprache einen
geringen Wortschatz und ein schlechtes Textverständnis hat, ist im
Fremdsprachenunterricht benachteiligt. Schneiders Verbesserungsvorschläge
zielen folgerichtig auf Bildung und Förderung von frühester Kindheit an. Seine
Forderungen folgen dem durch die Ergebnisse der PISA-Studie ausgelösten
Bildungs- und Frühförderungstrend. Im letzten Teil des Buches gewinnt die
optimistische Botschaft die Oberhand "Das können wir auf Deutsch viel
besser ausdrücken!" So lernen wir abschließend Wolf Schneiders
persönliches Projekt "Lebendiges Deutsch" kennen - mit dem Ziel,
monatlich für drei Anglizismen treffende deutsche Bezeichnungen zu suchen und
zu prämieren. 40 neue deutsche Begriffe sind schon gefunden worden.
Fazit
Mit seiner pointierten Kritik am widersprüchlichen Verhältnis der Deutschen zu
ihrer Muttersprache bewegt der 1925 geborene Schneider sich als Journalist auf
vertrautem Gebiet. Sein Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge und Zwänge
in einer globalen Gesellschaft fällt merklich schwächer aus als sein
Sprachgefühl. Leser, die weder mit der deutschen noch mit der englischen
Sprache Probleme haben, werden Schneiders Sprachreinhaltungs-Kampagne nur
begrenzt nachvollziehen können.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 20. Januar 2008 2008-01-20 10:45:18