In der "Zeit" vom 1. August 2002 erschien unter dem Titel "Der
König von Rheinsberg" ein sehr interessantes Portrait des zu unrecht
vergessenen "Prinzen" Heinrich, des Bruders Friedrichs II. aus Anlass
seines 200. Todestages 1802 aus der Feder von Gerd Fesser.
Wer sich näher für die Figur Heinrichs und seine Beziehung zu seinem
berühmten Bruder, Friedrich dem Großen, interessiert, der sollte zu 2 Bänden
von Christian Graf von Krockow greifen: "Schloß Rheinsberg" und das
vorliegende Doppelportrait über Friedrich den Großen und Prinz Heinrich.
Da Krockow bereits eine Biographie über Friedrich den Großen geschrieben hat,
konzentriert sich dieses Werk stärker auf den Bruder Prinz Heinrich.
Vorarbeiten hat der Verfasser geleistet: es sind dies: "Preußen - eine
Bilanz", "Friedrich der Große" und "Schloß
Rheinsberg".
Insbesondere wird hier der Lebenslauf des Bruders, Heinrich, geschildert. Wie
Fesser legt auch Krockow dar, dass Heinrich der weitblickendere Stratege und
klügere Mensch gewesen ist. Im Gegensatz zu Friedrich dem Großen, der das
Risiko liebte und - beeindruckender Siege zum Trotz - auch Niederlagen hinnehmen
musste, die fast zu seinem Untergang führten, bis der Tod der russischen Zarin
Elisabeth im Jahre 1762, dem "Mirakel des Hauses Brandenburg", ihn
rettete, liebte Heinrich die methodische und kräfteschonendere Strategie. 1757,
als Oberbefehlshaber der preußischen Truppen in Sachsen, kämpft er so
hinhaltend und geschickt, dass auch sein Bruder ihm die Bewunderung nicht
versagen konnte: "Lassen Sie uns nun, meine Herren, unser Glas leeren auf
das Wohl des einzigen Generals, der während des ganzen Krieges nicht einen
einzigen Fehler gemacht hat... Auf Dein Wohl, mein Bruder!". Diese
anerkennenden Worte Friedrichs am Ende des langwierigen Krieges können die
Rivalitäten und Spannungen unter den Brüdern nicht verdecken. Heinrich wirft
Friedrich vor, den jüngeren Bruder, August Wilhelm, in den Tod getriegen zu
haben. Auch seine Bemühungen, als sächsischer Oberbefehlshaber die
demoralisierte Bevölkerung schonend zu behandeln (was Friedrich veranlasst, ihn
abzusetzen), zeigt, dass Heinrich - wie General von Marwitz, sittlich gedacht
hat. Für die zerrüttete Beziehung zwischen beiden, die Krockow hervorragend
herausarbeitet, ist es charakteristisch, dass Heinrich 1791 in Rheinsberg einen
Obelisken errichten lässt, der dem Bruder August Wilhelm und den Helden des
Siebenjährigen Krieges, unter anderem Marwitz, gewidmet ist, ohne Friedrich zu
erwähnen.
Krockow erwähnt auch das Urteil Fontanes in seinen "Wanderungen durch die
Mark Brandenburg", der Heinrich Gerechtigkeit wiederfahren lassen möchte.,
da dieser ein "kluger und geistvoller Prinz" gewesen sei. Doch die
Geschichte entschied anders: nicht Heinrich, der Kluge und von sittlicher
Verantwortung geprägte, wurde Vorbild für die deutschen Militärs, sondern der
- nachweislich schlechtere - Stratege Friedrich. Gerd Fesser schließt seinen
Beitrag in der "Zeit" mit den treffenden Worten: "So wurde
Friedrich "der Große" in Deutschland zum Heros zweier mörderischer
Weltkriege, sein Bruder aber sank in Vergessenheit. Zeit also, sich seiner zu
erinnern, denn besser als der König von Preußen passt er zum heutigen Europa:
der König von Rheinsberg."
Auch Krockow hegt Sympathien für den vergessenen Bruder (der nicht umsonst in
diesem Portrait wesentlich ausführlicher behandelt wird wie Friedrich), lässt
allerdings auch Friedrich Gerechtigkeit wiederfahren. Er würdigt diesen als
großen König und ersten Diener seines Staates - ganz im Gegensatz zu den
absolutistisch regierten, von der Staatsauffassung Ludwigs XIV. geprägten,
Nachbarstaaten und zeigt damit, wie weit Friedrich seiner Zeit voraus gewesen
ist. Ganz besonders gilt dies allerdings für Heinrich, der mit diesem Werk
seinen verdienten Platz in der preußischen Geschichte zugewiesen bekommt. Auch
wenn es Krockow nicht so explizit sagt: er wäre der bessere und aus heutiger
Sicht modernere preußische König gewesen.
Das sichtbare Bemühen um Objektivität und Ausgewogenheit, zusammen mit der
Souveranität des Umgangs mit den Quellen sowie einer lebendigen leicht lesbaren
Sprache macht das Werk gerade jetzt, zum 200. Todestag Heinrichs, zur
interessanten und erhellenden Lektüre. Nebenbei erfährt man auch viel über
Preußens Staatsgründung und den Vater Friedrich Wilhelm I., den berühmten
Soldatenkönig.
Fazit
Wer Geschichte lernen möchte und dies nicht trocken, sondern spannend serviert
bekommen möchte, der sollte dieses hervorragende Doppelportrait unbedingt
lesen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 02. März 2003 2003-03-02 14:06:51